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Mit der Vorsicht eines ordentlichen Kaufmannes
Die Expo '95 als unternehmerische Herausforderung

Gerhard Feltll

"Große Pläne flattern unverwirklicht im Winde", schrieb Golo Mann über eine ferner gelegene Epoche der Geschichte, "teils weil die Planenden nicht taugen, teils weil die Mittel nicht reichen, teils weil die Wollenden sich nicht einigen können". So ist es zu allen Zeiten gewesen. Muß es aber auch bei allen künftigen Vorhaben so sein?

Die geplante Weltausstellung in Wien und Budapest 1995 bietet Gelegenheit, um zunächst das Weltausstellungsbüro in Paris und dann die Aussteller und Besucher von einem weltaufgeschlossenen, nicht nur zur Improvisation, sondern auch zu Organisation und Zukunftsbewältigung fähigen Österreich zu überzeugen. Allerdings muß die Jahrhundertchance einer gemeinsamen Weltausstellung mit Verve vorangetrieben werden. Begeisterungsfähigkeit und Überzeugungskraft gehörten immer schon zum Weltausstellungsgeschäft.

Eine Weltausstellung soll aber nicht nur zum Träumen verführen, sie ist auch eine unternehmerische Herausforderung an die "Firma Österreich" und muß penibel geplant und professionell vorbereitet werden. Sie muß klar definierte Ziele haben, die es zu verfolgen gilt - neben all den vielfältigen sonstigen Nutzen, der sich im Schlagwort der Umwegrentabilität zusammenfassen läßt. Sie muß nicht zuletzt gewinnorientiert sein - mit der Weltausstellung soll Geld verdient und nicht verloren werden.

Vor allem aber müssen zwei Prinzipien eingehalten werden, ohne die eine erfolgreiche und gesamtösterreichische Ausrichtung dieses Großereignisses nicht denkbar erscheint:

Das erste Prinzip möchte ich "das Erfordernis der Staatsferne" nennen. Die politische Letztverantwortung ist ein Faktum, dem die Regierungsparteien mit der Konstituierung eines "Lenkungsausschusses" Rechnung getragen haben. Für den Projekterfolg wird es allerdings entscheidend sein, die Verantwortung rechtlich und wirtschaftlich so weit zu delegieren, daß die Weltausstellungsgesellschaft tatsächlich entscheidungs-, handlungs- und geschäftsfähig ist. Und es gibt durchaus Beispiele dafür, daß mit einer derartigen Konstruktion beachtliche wirtschaftliche Erfolge erzielbar sind und dem Vorurteil begegnet werden kann, daß große Projekte automatisch Passivposten für den Steuerzahler bedeuten. Als Beleg kann die auch wirtschaftlich erfolgreiche Olympiade in Los Angeles ebenso herangezogen werden wie die Expo '88 in Brisbane.

Europareife und Weltausstellungskompetenz zeigen sich nicht zuletzt in der Bereitschaft, dort Management einzusetzen, wo Management erforderlich und Politik entbehrlich ist.

Diese Forderung entspricht übrigens dem Wunsch der Bevölkerung, deren Einschätzung zum Thema Weltausstellung von der Forschungsgesellschaft Triconsult österreichweit erhoben wurde. Hier die wesentlichsten Ergebnisse dieser Studie: Der Plan der Weltausstellung ist bundesweit zu 80 %, im Westen immerhin zu zwei Drittel bekannt. Besonders erfreulich ist der hohe Konsens der Österreicher über die Chancen zur internationalen Imageverbesserung. In allen Bundesländern (und gerade auch im Westen Österreichs) sind rund 60 % der Befragten der Meinung, daß die Weltausstellung eine gute Möglichkeit darstellt, unser Land in der Welt zu präsentieren.

Erfordernis des kooperativen Föderalismus.

Nur eine kleine Minderheit von 17 % erwartet sich keine wirtschaftlichen Impulse, der Rest sieht das Vorhaben als Instrument des wirtschaftlichen Aufschwungs. Vor allem aber sieht die Bevölkerung eines sehr realistisch: 65 % meinen, die Planung und Organisation gehören in die Hand privater Manager, während nur 35 % öffentlichen Stellen die Fähigkeit zubilligen, eine solche Ausstellung effizient zu planen und erfolgreich zu organisieren.

Das zweite Prinzip ist das Erfordernis des "kooperativen Föderalismus". Das heißt: Die Weltausstellung muß als gesamtösterreichisches Anliegen geplant und verstanden werden. Die Bundesländer - außer der unmittelbar betroffenen und daher auch primär interessierten Ostregion - müssen von Anfang an in den Planungsvorgang einbezogen werden, damit sichergestellt ist, daß die angestrebte Umwegrentabilität der Weltausstellung auf ganz Österreich verteilt wird. Neben bundesweit bedeutsamen Exponaten sollen die Länder auf dem Ausstellungsgelände selbst, aber auch außerhalb des Expo-Areals Gelegenheit zur Darstellung ihrer authentischen Anliegen und ihrer spezifischen Identität bekommen. Dabei sollen die Länder nicht eine zentralistisch erstellte Konzeption abwarten, sondern aktiv werden und selbst beginnen, ihre Chancen während der Weltausstellung auszuloten und prospektiv wahrzunehmen.

Darüber hinaus ist die Weltausstellung als Chance anzusehen, unser Land in der Welt von morgen neu zu positionieren. In dieser neuen "Handelswelt", die Richard Roseckance einprägsam skizziert hat, werden nicht so sehr militärische Arsenale und globale Streitkräfte den Ausschlag geben, sondern die Produktivität der Gesellschaften, ihre Fähigkeit zur Innovation und die Wirksamkeit ihrer kommerziellen Strategien.

Werkstatt und Schauraum eines neuen Zeitalters.

Nicht die von Karl Kraus beschriebene "Versuchsstation für den Weltuntergang" zu sein, sondern Werkstatt und Schauraum eines neuen Zeitalters zu werden - das erfordert freilich die Mobilisierung aller geistigen und kulturellen, aller technischen und musischen Kräfte unseres Landes.

Für das Binnenland Österreich, das - ohne Zugang zu den Meeren - an seiner Binnenmentalität leidet, stellt die Weltausstellung eine einzigartige Chance dar, sich geistig zu öffnen. Die "Brücken in die Zukunft" sind für das Land selbst zunächst "Tore zur Welt". Provinzialität, unverdeckter Ethnozentrismus kann und muß dabei überwunden werden. Die intensive Begegnung mit den zu erwartenden Besuchern aus dem Ausland aktualisiert die Frage nach der eigenen Identität, nach Zielen, nach Sinngebung - nicht zuletzt für die Jugend. Erarbeitet werden müssen somit auch Antworten auf die Frage, was dieses Land seiner Jugend bieten kann und soll. Abstrakte Visionen werden dafür nicht ausreichen. Das Angebot muß in realen Projekten bestehen, die gemeinschaftlich und für die Gemeinschaft erarbeitet werden können.

Bei den bisherigen Vorarbeiten wurde - trotz der vielen Unbekannten, die derzeit noch alle Berechnungen erschweren - versucht, mit der "Vorsicht eines ordentlichen Kaufmannes" und nach dem Niederstwertprinzip vorzugehen. Das sind die bisherigen Globalergebnisse: 

Ein erster grober Maßnahmenkatalog des Bundes und der Stadt Wien hat für den Ausbau der Infrastruktur (dazu gehören beispielsweise der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und des Wiener Straßennetzes, die Schaffung von Park & Ride-Anlagen, die Lösung überregionaler Transport- und Verkehrsfragen, die Fertigstellung der Ostautobahn sowie der Ausbau der Bahnverbindung zwischen Wien und Budapest) einen Kostenrahmen zwischen 15 und 20 Milliarden Schilling ergeben. Dabei handelt es sich um Aufwendungen, die in der Planung der Gebietskörperschaften ohnedies enthalten sind, die aufgrund des geplanten Weltausstellungsprojektes jedoch vorgezogen werden. Es leuchtet ein, daß die Weltausstellung mit diesen Kosten nicht belastet werden soll.

Breite Streuung von Aktien: Das große Geld ist bei den privaten Sparern.

Das Finanzerfordernis für die geplante Weltausstellung (inklusive der Kosten für Gebäude und Anlagen) wird bis 1995 mit etwas mehr als 12 Milliarden Schilling beziffert. Rund 10 Milliarden Schilling sind davon unmittelbar der Weltausstellung zuzurechnen. Die Besonderheit dieses Finanzierungsteiles ist das zeitliche Auseinanderklaffen zwischen Entstehung der Kosten und Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung an die Aussteller sowie aus der Folgenutzung. Die Rentabilität wird dabei wesentlich von der weiteren Nutzung der Weltausstellungseinrichtungen (Nachnutzung) abhängen.

Die unmittelbaren Projektrealisierungskosten (von den weltweiten Werbe- und Marketingkonzepten bis zur Durchführung des sechs Monate Betriebes auf dem Weltausstellungsgelände) werden auf rund 2 Milliarden Schilling geschätzt und sollen rein privatwirtschaftlich finanziert werden, da die direkten Einnahmen (durch Pavillon mieten, Eintrittsgelder, Sponsoreneinnahmen, TV-Rechte, Lizenzgebühren usw.) die Rückzahlung und die gewinnabhängige Verzinsung des vorfinanzierten Betriebskapitals erlauben. Großinteressenten wie Banken, Baufirmen oder Hotelketten sollen für das Projekt interessiert, darüber hinaus aber die Aktien möglichst breit gestreut werden. Einerseits, weil das große Geld bei den privaten Sparern ist, und andererseits, um die Weltausstellung zum populären, nationalen Anliegen zu machen, an dem möglichst viele Bürger interessiert sind und direkten persönlichen Gewinn erzielen können. Indirekt werden ohnedies alle Österreicher Gewinner einer gut organisierten und erfolgreichen Weltausstellung sein - noch hat man das bisher zu wenig überzeugend dargelegt. Abgesehen von den reinen Infrastrukturkosten auf Gemeinde- und Bundesebene verbleiben somit nach ersten Schätzungen rund 10 Milliarden Schilling Finanzbedarf des Unternehmens Weltausstellung, in dem der Staat und unser aller Steuergeld in mehrfacher Weise involviert ist.

Das kann als sehr viel (2,5 % des Budgetvolumens der Republik) oder als relativ wenig Geld (knapp ein Drittel des letzten Subventionsschubes für die verstaatlichte Industrie und weniger als die Hälfte des jährlichen Staatsbeitrages zum Komplex der Bundesbahner) erscheinen.

Ob die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen durch Umschichtung oder Sonderkredite finanziert werden, ist nicht eine Frage der Weltausstellungsphilosophie, sondern der jeweils aktuellen Budgetpolitik. Wenn der augenblickliche Boom anhält, wird der Staat eher zur Umschichtungsvariante neigen. Sollte die Konjunktur absacken, wäre die Weltausstellungsinfrastruktur ein willkommener und plausibler Anlaß für kreditfinanzierte Zusatzaktivitäten.

Der Staat (der nicht nur bei staatlich finanzierten, sondern bei allen wertschöpfenden Unternehmungen als "stiller Teilhaber" beteiligt ist und in Form der Steuern seinen Anteil an der Wertschöpfung bekommt) ist jedenfalls in der angenehmen Lage, sich nur hinsichtlich eines Teils der Weltausstellungsinvestitionen durch Direktzahlungen oder Garantien engagieren zu müssen, aber aus sämtlichen Aktivitäten - von den damit verbundenen Umsätzen bis zu den Löhnen - Steuern zu beziehen.

50.000 Arbeitsplätze und 24 Milliarden inlandswirksame Wertschöpfung.

Die Zahl der von der Veranstaltung geschaffenen Arbeitsplätze wird letztlich vom Umfang der Anlagen und Einrichtungen am jeweiligen Standort abhängen. Die amerikanische Consultingfirma Bechtel Civil, Inc. nennt in ihrer Feasibility Study eine Zahl von 750 in der Administration und (für die Dauer der Ausstellung) 15.000 im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern. Unter Verwendung eines Multiplikators von drei (der das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Arbeitsplatz angibt) könnten durch die Ausstellung bis zu 50.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Das Institut für Wirtschaftforschung (Wifo) hat einen Bericht über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Weltausstellung publiziert. Diese Analyse, die unter anderem von 12 Millionen ausstellungsbedingten touristischen Inlandsübernachtungen ausgeht, kommt bei Betrachtung des erwarteten Besucherstromes auf maximal 30 Milliarden Schilling Ausgaben im Rahmen von rund 15 Millionen Weltausstellungsbesuchen. Von diesen 30 Milliarden Schilling fließen etwa 6 Milliarden für damit gekaufte Importprodukte ins Ausland. Von der im Inland verbleibenden Kaufkraft von 24 Milliarden werden rund 16 Milliarden wertschöpfungswirksam in Wien, während die restlichen 8 Milliarden in die Bundesländer fließen.

30 Milliarden Schilling Touristenausgaben bedeuten rund 10 Milliarden Schilling Steuereinnahmen. Ein Zehntel davon entfällt auf Landes- und Gemeindeabgaben, der Rest geht an den Bund. Es wäre aber nicht korrekt, diese 10 Milliarden als "Weltausstellungsgewinn" des Bundes darzustellen - oder auch nur als Weltausstellungseinnahmen, denen entsprechende Ausgaben gegenüberstehen. Denn die große und ungelöste Frage ist, wie viel durch die Weltausstellung an zusätzlicher Konsumkraft mobilisiert wird und wie viel lediglich Substitutionsausgaben sind, die an anderer Stelle eingespart werden.

Der echte volkswirtschaftliche Gewinn wird vom Wifo nur dort gesehen, wo durch die Weltausstellung zusätzliche touristische Auslandsnachfrage entsteht. Diese zusätzlichen Gäste werden allerdings ihre finanziellen Spuren nicht nur im Osten Österreichs und in Budapest hinterlassen, sondern mit Gewißheit auch in allen Bundesländern, die ihre Chance zu nützen verstehen, sich mit ihrem touristischen und kulturellen Angebot an den Lockvogel Weltausstellung anzuhängen.

Nachhaltige Wirkung für den Tourismus.

Die Entwicklung des österreichischen Fremdenverkehrs in den vergangenen zehn Jahren spricht in diesem Zusammenhang eine deutliche Sprache: Langfristig rückläufige Nächtigungszahlen; Umorientierung auf das Winterhalbjahr, also schlechtere Auslastung im Sommer; Verlust von Marktanteilen an die Mittelmeerländer; Zunahme des Städte- und Fernreisetourismus; Abnahme der Aufenthaltsdauer; wachsendes Interesse für Erlebnis- und Spezialangebote.

Nach dem Bericht des Instituts für Wirtschaftsforschung ist mit einem ausstellungsbedingten zusätzlichen Volumen von rund 12 Millionen Nächtigungen zu rechnen. Das sind 10 % unseres gesamten Jahresvolumens an Nächtigungen - allerdings im Verlauf von nur sechs Monaten. Dabei ist freilich noch in keiner Weise die Vor- und Nachpublizität für die Weltausstellung berücksichtigt. Was den Nachläufereffekt der Winterolympiaden 1976 in Innsbruck betrifft, so brachte dieses Großereignis noch fünf Jahre lang einen rapiden Anstieg an Übernachtungszahlen. Und Saalbach-Hinterglemm, wo die nächsten Skiweltmeisterschaften stattfinden werden, hat errechnet, daß durch die geplante Ski-WM ein privater Investitionsschub von rund einer Milliarde Schilling ausgelöst wird.

Die Chancen für eine Weltausstellung im Tourismusland Österreich stehen - was das Besucherinteresse betrifft - sehr gut: Die Reisefreudigkeit und Mobilität wird weiter zunehmen. Bereits im Jahr 1990 werden weltweit rund 400 Millionen Touristen unterwegs sein. Die Ausgaben für Freizeit haben trotz des rasanten Wachstums in den vergangenen 20 Jahren ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Neue, zahlungskräftige Käuferschichten werden auftreten, es wird mehr Zeit für Freizeit zur Verfügung stehen. Aber natürlich genügt es nicht, einfach eine Weltausstellung hinzustellen und zu warten, bis die Besucher kommen. Vom Schlaraffenland und seinen gebratenen Tauben keine Spur - denn auch die Konkurrenz wird härter werden. Weil die Tourismusbranche eine der wenigen Wachstumssparten ist, werden die Mitbewerber zahlreich. Die Globalisierung der Märkte macht daher weltweite Marketinganstrengungen nötig.

3 Milliarden Schilling Reinverdienst für den Staat.

Bei einer vorsichtigen Betrachtung der geplanten Weltausstellung kommt das Wifo zu dem Schluß, daß von den 30 Milliarden Schilling Ausgabenpotential etwas mehr als die Hälfte (nämlich 17 Milliarden) gesamtwirtschaftlich wirksam werden, die zum Großteil auf die Ausgaben der zusätzlichen ausländischen Besucher entfallen. Der Rest wird durch inlandswirksamen Konsumverzicht finanziert und ist somit volkswirtschaftlich neutral.

Korrekterweise wird in der Studie auch der Zeitpunkt der Zahlungen berücksichtigt, sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen (relativ frühe Kosten- und verhältnismäßig späte Einnahmenentstehung) werden mit ihrem auf 1988 abgezinsten Barwert eingesetzt. Dadurch schrumpfen die zusätzlichen volkswirtschaftlichen Einnahmen in Höhe von 17 Milliarden Schilling im Jahr 1995 auf einen Barwert von 9,5 Milliarden Schilling.

Wenn man wiederum annimmt, daß 30 % dieser zusätzlichen Nachfrage als Steuern beim Staat hängen bleiben, ist der abgezinste Reinverdienst des Staates aus der Weltausstellung mit knapp 3 Milliarden Schilling anzusetzen. Ein Reinverdienst von 3 Milliarden Schilling (ohne deshalb budgetäre Nachteile befürchten zu müssen) sollte dem Staat jedenfalls ein entsprechendes Engagement für die Weltausstellung wert sein.

Zusätzliche Aufwendungen aus Steuermitteln wären der Preis für unbezahlbare Nebeneffekte, wie nationales und politisches Prestige, vermehrtes internationales Wissen über österreichische Waren- und Touristikangebote und erhöhte Geschäftsabschlüsse während der Ausstellung.

Nach Berücksichtigung aller volkswirtschaftlichen Kosten und Erträge müßte laut Wifo unter dem Strich für das "Unternehmen Österreich" ein Überschuß von mindestens einer Milliarde Schilling übrig bleiben. In dieser Rechnung sind noch zahlreiche stille Reserven unberücksichtigt. So zum Beispiel der Restwert der Weltausstellungsgebäude - dies deshalb, weil über die weitere Nutzung noch nicht entschieden ist.

Der Erfolg der Weltausstellung wird aber auch daran zu messen sein, wie weit es gelingt, die Veranstaltung auf ein tragfähiges gedankliches Fundament, auf eine schlüssige Weltausstellungsphilosophie zu stellen. Dabei kommt der Vorbereitungszeit ebenso große Bedeutung zu wie dem Ereignis selbst.

Beitrag zu einem neuen humanistisch-ökologischen Weltbild.

Manés Sperber hat darauf verwiesen, daß der Mensch seit Jahrtausenden bestrebt ist, der täglichen Wiederkehr des Gleichen, nämlich dem grauen Alltag zu entfliehen. Im Extremfall könne dies sogar zur (unbewußten) Sehnsucht nach Krieg und Bürgerkrieg, nach der totalen Umkehrung aller Werte führen.

Eines der ältesten Heilmittel gegen die Last des Alltäglichen besteht im Feiern von Festen. So wohnt jeder Weltausstellung neben ihren wirtschaftlichen und medialen Dimensionen eine zusätzliche Qualität inne: Sie wird zum "Sonntag" in der Geschichte eines Volkes, zum Moratorium seins Alltags, zu Ort und Zeit der Freude und des Feierns seiner Bürger.

Dies ist ein erstes Element der noch voll zu entwickelnden Philosophie der Weltausstellung in Wien und Budapest. Ein zweites Element besteht in der sich bereits klar abzeichnenden Überlegung, daß das geplante Ereignis eine "andere" Weltausstellung sein soll. 

Weltausstellungen sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und entsprachen den Bedürfnissen und Möglichkeiten dieser Zeit - als wichtigste Informationsquelle über die neuesten technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften. Im Mittelpunkt standen die Technik, das Produkt, die Maschine und ihre Entwicklung. Auf der anderen Seite stehen jene Weltausstellungen, die mehr auf Innovation, auf Kreativität, auf das Leben und die Lebensqualität der Menschen ausgerichtet sind.

Es gibt somit so etwas wie einen Zyklus, eine Art Sinusbewegung, in dem die Inhalte der Weltausstellung zwischen High-Tech und High-Touch oszillieren. Zur Zeit geht es eindeutig wieder in Richtung Kunst, Kreativität, New-Age-Values.

Wien und Budapest mit dem Thema "Brücken in die Zukunft" entsprechen voll diesem Rhythmus: Die grenzüberschreitende Bedeutung des Twin-City-Konzeptes; die Erstmaligkeit, daß zwei Städte (noch dazu zwei Städte mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen) eine solche Veranstaltung ausrichten; die Tradition Österreichs, aber auch Ungarns als Kulturnation; der Nationalcharakter in beiden Ländern unterstützt den Typus der "humanistischen Weltausstellung" - als Antwort auf die immer stärker werdenden Bedürfnisse nach Harmonie, Konsens und internationaler Partnerschaft. Das menschliche Maß soll dem technischen Ausmaß, der geistige Auftritt dem materiellen Aufwand ebenbürtig sein und jenen Wertewandel in Europa sichtbar machen, den unsere Jugend fühlt und fordert und der die Menschheit in das nächste Jahrtausend begleiten wird.

Die Idee, "Brücken in die Zukunft" zu schlagen, weist weiters darauf hin, nicht nur an die Nachnutzung des Ausstellungsgeländes zu denken, sondern auch einen Bogen zur Millenniumsfeier des Jahres 1996 in Österreich zu spannen. "Brücken" sollen schließlich Ost und West, Orient und Okzident, das Gestern mit dem Morgen, Wirtschaft und Kultur sowie die Natur mit der Technik verbinden. Verbinden und Versöhnen sind ja Grundelemente des österreichischen Selbstverständnisses.

Die Chancen Wiens liegen somit nicht nur in der Weiterentwicklung seiner lokalen Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit, sondern vor allem auch im Beitrag zur notwendigen Metamorphose unseres technisch-industriellen in ein humanistisch-ökologisches Weltbild.

Aus: "Brücken in die Zukunft. Weltausstellung 1995 in Wien und Budapest", herausgegeben von
Erhard Busek, 1998