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Gerhard Feltl

EXPO-VIENNA AG
Mai 1991

1.      Vorbemerkung: 

In Übereinstimmung mit dem Unternehmensauftrag hat die EXPO-VIENNA AG bereits im Jahr 1990 mit der Planung des Rahmenprogramms für die Weltausstellung 1995 begonnen. Leitlinie war dabei die von maßgeblichen Repräsentanten des Bundes und der Stadt Wien wiederholt geäußerte Überzeugung, die Weltausstellung 1995 müßte als ein in Attraktivität und Qualität der Tradition des mitteleuropäischen Kulturraumes angemessenen Ereignis inszeniert werden. 

Dafür war auch die Überlegung maßgebend, daß der Publikumserfolg von Großveranstaltungen verstärkt von der Attraktivität des Rahmenprogramms abhängt, da dieses entscheidenden Einfluß sowohl auf die Verweildauer, als auch auf die Anzahl der Mehrfachbesuche am Gelände hat. 

Analysen der Besuchererwartungen zeigen, daß ungefähr 70 Prozent der potentiellen WA-Besucher aus der Region kommen werden und in dieser Gruppe Kultur- und Unterhaltungsangebote einen hohen Stellenwert haben. 

Demgemäß war in der Planung des Rahmenprogramms sowohl die internationale Ausrichtung der kulturellen Aktivitäten, als auch auf die Chancen und Möglichkeiten der kulturellen Selbstdarstellung Österreichs Wert zu legen. 

Die EXPO-VIENNA AG wird im Frühsommer 1991 eine umfangreiche Broschüre mit den Arbeitsergebnissen der Planungsphase und einen Vorschlag für Organisation und Inhalt des kulturellen Rahmenprogramms für die Weltausstellung 1995 veröffentlichen.  

2.      Organisation und Programmschema: 

Die Abteilung "Advertising und Promotion" der EXPO-VIENNA AG hat für das kulturelle Begleitprogramm einen ersten Organisations- und Budgetplan fertiggestellt, welcher auftragsgemäß die Durchführung eines attraktiven und hochwertigen Angebots an Veranstaltungen sicherstellen soll. Dabei wird von einem geschätzten Mindestaufwand von etwa öS 600 Mio. (Preisbasis 1990) für die Jahre 1991 – 1995 ausgegangen. 

Das Projektteam Felix Josef und Alfred Kraulitz hat ein "Expo-Programmschema" erarbeitet, welches Strukturvorschläge für das begleitende Kultur- und Unterhaltungsprogramm enthält. Aufgrund dieser Daten ist es möglich, konkrete Angaben über Art und Anzahl der Veranstaltungen, die notwendigen Veranstaltungsorte sowie die benötigte Infrastruktur zu machen. 

Die Empfehlungen dieser Studie werden im Laufe des Jahres 1991 mit der Architektengruppe Frank, welche mit der Detailplanung des Expo-Geländes beauftragt ist, abgestimmt werden. Ziel ist dabei die rechtzeitige Berücksichtigung aller baulichen Notwendigkeiten für die Abwicklung des kulturellen Rahmenprogramms.  

3.      Das Kulturangebot: 

Erstmals in der Geschichte von Weltausstellungen wurde eine Expo-Philosophie gemeinsam mit dem ungarischen Projektpartner ausgearbeitet, welche die geistige Grundlage für das Gesamtprojekt liefert. Dieses Dokument enthält das Bekenntnis zu einem Europa der Vielfalt und des Vielfältigen, und die kritische Sicht auf jene gesellschaftlichen Entwicklungen, welche industriellem Fortschritt und bloßem Konsumdenken den Vorrang geben vor dem Maßhalten und dem behutsamen Umgang mit unserer materiellen und geistigen Umwelt. 

Bei der Planung des Kulturangebots geht die EXPO-VIENNA AG davon aus, daß hohen Erwartungen an das Rahmenprogramm nur dann Rechnung zu tragen ist, wenn der Anteil an signifikanten Eigenproduktionen in allen Sparten deutlich höher ist, als bei vergangenen Weltausstellungen. Auch ist eine der Expo-Philosophie entsprechende Gesamtdramaturgie anzustreben, welche in bereits erarbeiteten Grundsatzdokumenten festgeschrieben ist. 

Das Projektteam Edek Bartz, Peter Pakesch, Vintila Ivanceanu und Peter Weibel hat unter dem Sammeltitel "Kunst-Expo" eine Dramaturgie für das künstlerische Rahmenprogramm der Expo '95  erarbeitet und konkrete Projektvorschläge für die Sparten Musik, Theater, bildende Kunst, Medienkunst und Unterhaltung entwickelt. 

Zentrale Projekte in diesem Konzept sind ein Querschnitt-Festival "Meridiane der Musik", ein "Skulpturenpark an der Donau", welcher zur Belebung der Region zwischen Wien und Budapest beitragen soll, verschiedene Projekte nonverbalen Theaters, sowie eine Schwerpunktveranstaltung "Das Regime der Maschinen", welche der Verdeutlichung des speziellen Stellenwerts technischer Apparaturen in der Kunst gewidmet ist. 

Diese Vorschläge wurden von der EXPO-VIENNA AG durch eine Auswahl weiterer Anregungen aus der internen Kulturdatenbank ergänzt, in welcher mit Stand Ende Mai 375 Projekte erfaßt sind. 

Es ist geplant, die Projektgruppe Bartz, Pakesch, Ivanceanu und Weibel mit einer konkreten Machbarkeitsstudie zu beauftragen, welche die Realisierung der "Kunst-Expo"-Vorhaben in künstlerischer, technischer und organisatorischer Hinsicht überprüfen und die Projekte durchführungsreif machen sollte. Resultate dieser Studie werden im Herbst 1991 vorliegen. 

Ergänzend dazu hat Elmar Zorn als Berater der EXPO-VIENNA AG eine Reihe von internationalen Kulturprojekten in Zusammenarbeit mit der EXPO-VIENNA AG entwickelt, welche gleichfalls in das Weltausstellungs-Programm eingebracht werden können. Dazu zählen die interaktiv konzipierte Ausstellung "Play-Art" sowie die Europa-Projekte "Art in Nature" und "Theater der Völker der Welt". 

Ein spezieller Programmschwerpunkt wird den Kindern gewidmet sein. Gedacht ist an ein zusammen mit Kindern entwickeltes "Phantasie-Land", welches den spezifischen Erwartungen dieser Besuchergruppe entsprechen soll. 

Ein Schwerpunkt der "Kinder-Expo" ist der "Circus der Kontinente" (nach einer Idee von André Heller) in dem die Wunder und Merkwürdigkeiten dieser Welt lehrreich und unterhaltsam präsentiert werden. 

Das Projektteam Joachim Riedl, Hans Peter Hoffmann und Gustav Pichelmann hat im Auftrag der EXPO-VIENNA AG eine Feasibility-Studie für ein Festival "99-Jahre Film" fertiggestellt, welches Ausstellungsgelände und Stadt miteinander verbinden soll. "99-Jahre Film" stellt eine spektakuläre und unterhaltende Komplettierung der "Kunst-Expo" dar. 

Dieses Projekt wurde im Einvernehmen mit den betroffenen Dienststellen des Magistrats der Stadt Wien erarbeitet und bereits Bürgermeister Dr. Zilk präsentiert. Derzeit überprüfen EXPO-VIENNA AG und das Projektteam Realisierungs- und Finanzierungsmöglichkeiten. Derzeit verhandelt die EXPO-VIENNA AG mit Peter Greenaway über eine "Film-Oper", welche als eine der Höhepunkte des Festivals geplant ist.  

4.      Sponsoring und Koproduktionsmöglichkeiten: 

Elmar Zorn arbeitet im Einvernehmen mit der EXPO-VIENNA AG neben der Evaluierung von Kulturprojekten, vor allem an Konzepten für das Sponsoring der Kulturprogramme, wobei der Grundsatz beachtet wird, überwiegend private Mittel für die Finanzierung des Begleitprogramms aufzutreiben. 

Weiters hat die EXPO-VIENNA AG bereits eine Reihe von Gesprächen über Koproduktionsmöglichkeiten mit den Kulturinstitutionen der Stadt Wien sowie des Bundes geführt, um eine weitgehende Abstimmung der wechselseitigen kulturellen Aktivitäten im Weltausstellungsjahr zu erreichen. Diese Gespräche laufen äußerst erfolgreich. Erste konkrete Projektvereinbarungen mit einzelnen Bundesmuseen und den Salzburger Festspielen liegen bereits vor. 

Im Museumsbereich sind Großausstellungen über "Die Utopien Europas" und "Internationalität und Regionalismus" geplant. Mit der Leitung der Salzburger Festspiele wird über die Welturaufführung einer Oper mit einer mitteleuropäischen Thematik verhandelt, welche im Jahre 1995 in der Wiener Staatsoper stattfinden soll. 

Für 1993 oder 1994 plant die EXPO-VIENNA AG in Zusammenarbeit mit dem Museum Moderner Kunst eine Präsentation des "Pont-Neuf-Projektes" von Christo. 

Es ist weiters beabsichtigt, Koproduktionsangebote auch an den Partner Budapest sowie an die an der Weltausstellung 1995 interessierten Städte der Region zu richten, um der mitteleuropäischen Dimension des Ereignisses weitestgehend gerecht zu werden. Entsprechende Gespräche mit den Kulturbeauftragten des Ungarischen Programmbüros sind im Laufen.  

5.      Cultural Advisory Board: 

Die EXPO-VIENNA AG hat den international renommierten Kulturmanager Tom Messer mit Zusammenstellung und Leitung eines "Advisory Board" beauftragt. Dieses Board soll aus internationalen Künstlern und Kunstmanagern zusammengestellt werden und das Weltausstellungsmanagement in künstlerischen Fragen, aber auch in der Programmierung von international hochklassigen Kulturveranstaltungen beraten. Das "Cultural Advisory Board" wird sich Mitte 1991 konstituieren und seine Arbeit im Jahre 1992 aufnehmen. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung wird die Arbeit des "Advisory Boards" finanziell unterstützen.  

6.      Expo-Kulturmanifest: 

Um die Positionierung der Weltausstellung als kulturelles Ereignis zu unterstreichen und den Stellenwert des Kulturprogramms im Rahmen der Expo '95  zu definieren, hat die EXPO-VIENNA AG ein "Kulturmanifest" erarbeitet. 

Es ist geplant, das Kulturmanifest als Grundsatzdokument des "Advisory Board" um die Jahresmitte 1991 der Öffentlichkeit vorzustellen.  

7.      Special-Events und Expo-Promotion:

Um die Weltausstellung 1995 als kulturelles Ereignis glaubwürdig vorzubereiten und einzuleiten, wird die EXPO-VIENNA AG auch Kulturvorhaben in die Werbe- und Promotionaktivitäten integrieren. 

In Zusammenarbeit mit dem New Yorker Kulturmanager Brooke Lappin wurde eine Durchführbarkeitsstudie für "Art Sail" abgeschlossen. In diesem Projekt sollen renommierte Künstler aus aller Welt Segel gestalten, welche im Zuge von "Art Sail"-Regatten der Öffentlichkeit im Zeitraum 1993 – 95 vorgestellt werden sollen. Danach wird die Sammlung bei der Weltausstellung zu sehen sein, bevor die Exponate internationalen Museen zum Ankauf angeboten werden sollen. 

Als weitere Promotion-Aktivität ist eine Poster-Edition geplant, in der unter Koordination des Expo-Logo-Schöpfers Alan Fletcher internationale Graphiker das Thema "Brücken in die Zukunft" künstlerisch interpretieren sollen. Die Originalbeiträge sollen als Wanderausstellung ab Ende 1992 weltweit für die Expo '95  werben. 

Mit der "Compagnia de Calza i Antichi" aus Venedig wird über die Durchführung einer Reihe von Städtefesten nach dem Vorbild des venezianischen Karnevals im Zeitraum zwischen 1992 und 1995 verhandelt. Diese Städtefeste sollen die mitteleuropäische Region im Vorlauf zur Expo '95  markieren und 1995 mit einem Fest in Wien enden. 

In Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie wird eine Wanderausstellung unter dem Titel "Leonardo: Von der Kunst der Wissenschaft" konzipiert, welche den Stellenwert des Kreativen in der Wissenschaft und der Kunst verdeutlichen soll und nach Prag, Berlin und Salzburg im Jahre 1995 in Wien präsentiert werden soll. 

Die EXPO-VIENNA AG ist im Gespräch mit André Heller bezüglich einer Konzeption für die Eröffnungsveranstaltung der Weltausstellung 1995. Eine erste Ideenskizze, welche eine Art Zeitreise durch die Mythologie und Geschichte der Donauregion mit Hilfe von Bildern auf dem Wasser vorschlägt, liegt vor. Darüber hinaus ist ein Konzept für die Schlußveranstaltung am 26. Oktober in Vorbereitung, die gleichzeitig als Auftakt für die Milleniumsfeier in Österreich geplant wird. 

Im Auftrag der EXPO-VIENNA AG und des Budapester Programmbüros haben die Videokünstler Rudi Dolezal und Hannes Rossacher einen ersten "Expo-Imagefilm" produziert, der bereits internationale Beachtung gefunden hat. Er wurde am "24th Annual US Industrial Film & Video Festival" in Chicago 1991 mit nicht weniger als vier Hauptpreisen (Gold Cameras) und weiteren drei Awards ausgezeichnet. Eine Kurzversion dieses Films ist ab Ende April 1991 in den Wien KIBA-Kinos zu sehen.

 

8.      Begleitende Maßnahmen und Veranstaltungen: 

Um die Bedeutung der Planung des Rahmenprogramms als kulturellen Prozeß zu unterstreichen, werden die Ergebnisse der angeführten Studien, sowie grundsätzlichen Überlegungen zum Thema Kultur und Weltausstellung, kulturelle Bedeutung der Expo '95, Veranstaltungskonzept, Expo-Dramaturgie und die vorgeschlagenen Organisationsformen, sowie ausgewählte Projekte und Special Events gegen Mitte 1991 in einer umfangreichen Expo-Kulturbroschüre der Öffentlichkeit präsentiert. 

Als publizistische Begleitmaßnahme erscheint seit Mai 1990 eine Artikelserie im Wiener Journal, welche dem Verhältnis von Kultur und Weltausstellungen gewidmet ist. Bisher wurden Beiträge von Erhard Busek, Tom Messer, Gerhard Feltl, Elmar Zorn, Eugen Semrau und Joachim Riedl, Wolfgang Streitenberger und Peter Koslowski veröffentlicht. Es ist geplant, diese Artikelserie unter Einbeziehung von ungarischen Autoren fortzusetzen und Ende 1991 als Sammelband publizieren. 

Mit dem ORF werden nach Abschluß einer Grundsatzvereinbarung Gespräche über Fernseh- und Radioproduktionen zu führen sein, welche einer Vertiefung der Weltausstellungs-Philosophie dienen sollen. Die EXPO-VIENNA AG hat dafür eine Reihe von Ideen für Dokumentationen, Serien und Filmproduktionen ausgearbeitet. 

Darüber hinaus wurde eine Studie zur Repositionierung des Weltausstellungsthemas "Brücken in die Zukunft" abgeschlossen. 

Im September 1991 wird die EXPO-VIENNA AG eine Enquete "Weltausstellung und Nachbarstädte" organisieren, welche auch die Einbeziehung dieser Städte in die kulturellen Rahmenprogramme vor und während der Expo '95  zum Ziel hat. 

Um das vielfältige Angebot von Kulturveranstaltungen in den Nachbarstädten der Region zu strukturieren, wird die EXPO-VIENNA AG ein "Expo-Siegel" an ausgewählte Veranstaltungen verleihen, welche geeignet sind, im Vorfeld der Expo für den Weltausstellungs-Gedanken zu werben.

05/91 - Dr Gerhard Feltl ist Vorstandsmitglied der Expo Vienna AG.