Projekte > Expo '95 > Zukunftsorientierte Positionierung

Eine zukunftsorientierte Positionierung in Europa finden

Perspektiven und Befunde (IWS)


Im Anschluß an die Diskussion zwischen Günther Nenning, Robert Schediwy und Elmar Zorn haben wir Gerhard Feltl ersucht, zu einigen ausgewählten Zitaten aus diesem Gespräch Stellung zu nehmen.

Aufbruchsstimmung ergibt sich aus einer konkreten Konstellation, in der bestimmte Leute an der Spitze das Signal geben und als Agenten des Zeitgeistes - wenn Sie so wollen - tätig sind. Glauben Sie, daß die Idee einer Expo dem Zeitgeist entspricht?

Das global village, dieses immer wieder zitierte globale Weltdorf, bedeutet eine Globalisierung der Konflikte, aber auch der Chancen. Das bedeutet für unser Land die Möglichkeit, Binnenmentalität abzubauen und gibt die Chance zur Öffnung, zur Liberalisierung, zur Beendigung von geschützten und überholten Strukturen. Diese Weltausstellung könnte damit zum Signal werden für eine geänderte Denkeinstellung, die notwendig sein wird, um auch im europäischen Markt des Jahres 1992 überleben zu können. In diesem Zusammenhang möchte ich Erich Fromm zitieren, der einmal meinte: Wenn die Menschen eine Vision haben und gleichzeitig erkennen, was Schritt für Schritt konkret zu ihrer Verwirklichung getan werden kann, dann schöpfen sie Mut und ihre Angst weicht der Begeisterung. Das sollte das eigentliche Motto für unsere Weltausstellung sein. 

Eine Veranstaltung wie die Expo '95 sollte das Wort Konkurrenz auf alle Fälle vermeiden. In der Tat geht es - wie in dem Motiv des Brückenschlags auch symbolisiert wird - darum, eine Verbindung zu schaffen, nicht jedoch mehr Konkurrenz und Wettbewerb. Je mehr es der Expo '95 in Wien gelingt, die anderen Städte aufzuwerten, umso besser wird das für die Veranstaltung sein. Wie wird die Expo '95 Österreich und seine Kompetenz der Welt präsentieren oder die Welt in Österreich ausstellen?

Ich komme aus einer sehr wettbewerbsorientierten Branche, für mich sind Begriffe wie Wettbewerb oder Konkurrenz, Leistung, Leistungsbewußtsein und Leistungsorientierung positiv besetzt - allerdings nur dann, wenn sie mit Fairness verbunden sind. Es soll diesen Leistungswettbewerb selbstverständlich auch im Rahmen der Weltausstellung 1995 geben, auch in Form einer Städte- und Länderkonkurrenz. Das Ziel der Weltausstellung besteht somit darin, daß Österreich sich und seine Kompetenz der Welt vorstellt, aber auch darin, daß die Welt sich in Österreich präsentiert. Hier bietet sich die Metapher vom Rahmen und dem Bild an: Die Weltausstellung findet in Wien und Budapest statt. Diese beiden Städte und die Länder Ungarn und Österreich bilden also den Rahmen der Veranstaltung. Ihr Inhalt hingegen wird sehr viel breiter gestrahlt sein. Jörg Mauthe hat darauf verwiesen, daß in Österreich immer, wenn Jahrhundertwenden anstehen, die Chance zu einem Vulkanausbruch an Kreativität besteht. Das hat sich an der Weltausstellung von 1873 und den folgenden kreativen Entwicklungen gezeigt, die wir unter den Begriff "Wien um 1900" zusammenfassen. Dies könnte sich, ausgelöst durch die Weltausstellung 1995, bei der nächsten Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende wiederholen.


Kultur im umfassenden Sinn wird immer unmöglicher, denn ich kann Kultur nicht in einer von Menschen überschwemmten Stadt betreiben. Welche Beziehungen und Spannungen sehen Sie zwischen der Expo und einem hochwertigen kulturellen Programm?

Es gibt in der Grundidee der Weltausstellung sicherlich ein solches Spannungsverhältnis, allerdings ein konstruktives Spannungsverhältnis. Es ist nicht so einfach, das Wesen einer Weltausstellung zu definieren oder zu beschreiben. Ich möchte mich daher einmal auf diese Arbeitsformel zurückziehen: Eine Weltausstellung ist eine Weltausstellung ist eine Weltausstellung. Graham Currie, der verantwortliche Marketingdirektor der Expo '88 in Brisbane nannte als Erfolgsgeheimnis die Formel: A lot of information, education and fun. Keine Frage, daß diese Weltausstellung, insbesondere die Weltausstellung in Wien, ein multikulturelles Projekt ist - durch die beiden Standorte, durch die Aussteller, die aus allen Nationen kommen, durch die Besucher, die aus aller Herren Länder kommen, durch den Anspruch, Brücken in die Zukunft zu konzipieren. In diesem Kontext gilt es, eine neue Qualität der Kommunikation zu finden, neue Dimensionen der Gemeinschaft zu entwickeln und auch den Bedeutungswandel von Weltausstellungen selbst darzustellen. Während Weltausstellungen in früheren Zeiten natürlich schwerpunktmäßig eine Leistungsschau der Leistungsgesellschaft waren, rückt im Hinblick auf den Paradigmenwechsel die Sinnfrage immer mehr in den Vordergrund. Wir wollen im Rahmen dieser Weltausstellung die Welt nicht nur als Konzentrat technischer Leistungen darstellen, sondern die Vielfalt der Selbstdarstellungen präsentieren, ihre Widersprüchlichkeiten und ihre Akzentsetzungen.

Zum Abschluß noch eine eher persönliche Frage, die wir auch den beiden Planungsstadträten gestellt haben: Die Expo '95 ist ja nicht nur ein wirtschaftliches Unternehmen oder ein Impuls für die Stadtentwicklung, sondern sie ist auch ein großes Fest, das den Besuchern Genuß und Freude verschaffen soll. Was sehen Sie als Elemente eines solchen Festes an?

Brücken in die Zukunft bedeutet zunächst einmal, Brücken zwischen den Menschen herzustellen. Das heißt Formen der Interaktion, der Begegnung, der Einbeziehung, der Eigendynamik statt einer vorgeschriebenen, einer verpflichtenden Betriebsamkeit. In diesem Sinne geht es darum, die Weltausstellung auch zu einer großen Spielwiese werden zu lassen, den homo ludens anzusprechen.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Weltausstellungen wurde nun in Wien gemeinsam mit dem ungarischen Projektpartner eine Expo-Philosophie formuliert. Mitte 1991 wird ein umfassendes Kulturprogramm präsentiert werden. Auch den Entwurf für ein Kulturmanifest haben wir fertig gestellt. Zur Zeit wird gerade die Gründung eines Kulturbeirates vorbereitet, in den internationale Künstler aus verschiedenen Bereichen eingebunden werden und ihre Sicht der Dinge einbringen sollen. Dies alles soll ermöglichen, die "andere Art Weltausstellung" zu definieren und zu verwirklichen. Darin wird auch die Abgrenzung gegenüber der Expo '92 in Sevilla bestehen, die - wie wir heute schon wissen - den Stand der Entwicklung insbesondere im Bereich der Technik präsentieren wird. In Wien hingegen wird ein besonderer Akzent auf den Bereich der Kreativität gelegt werden. Wir wollen kein Museum, sondern eine Werkstatt; wir wollen nicht einfach Produkte zeigen, sondern einen Prozeß darstellen.

Ernest Dichter hat als Aufgabe für die Expo '95 formuliert, daß die Harmonie und die Melodien der einzelnen ausstellenden Länder erlebbar und spürbar werden sollen - was auch eine Voraussetzung bildet zum Abbau von Feindbildern und Stereotypen. Je stärker die Globalisierung zunimmt, desto wichtiger wird auf der anderen Seite die Bestimmung der eigenen Identität. Ernest Dichter sieht drei Ebenen der möglichen Kommunikation zwischen den Völkern, nämlich die Faktenebene, die Ebene der Emotionalität (auf der ein sinnliches Gesamterlebnis entsteht) und drittens die Ebene der Identifikation. Damit könnte die Weltausstellung zu einer "Therapie" werden; der Weltausstellungsbesuch selbst könnte zu einer informativen und instruktiven Reise werden, zu einem Erlebnis, das hilft, Zukunftsängste abzubauen und Freude und Optimismus entstehen zu lassen.

Manés Sperber hat einmal darauf hingewiesen, daß eines der ältesten Heilmittel in der Geschichte der Menschheit gegen die Last des Alltäglichen das Feiern von Festen ist, als Moratorium des Alltags, als wichtige schöpferische Pause. Die Weltausstellung 1995 soll somit ein großes Fest sein, das Anlaß gibt zu Freude, zu Begegnung, zu Kommunikation und auch zu Optimismus - ohne die Augen zu verschließen vor den Schwierigkeiten und Bedrohungen unserer Zeit.


Aus: Perspektiven. Befunde. Positionen, Band 2. Herausgeber: Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (IWS), Univ.-Doz. Dr. Michael Wagner, April 1991