Themen > City Marketing > Weltausstellungen: Eine Chance für die Fremdenverkehrswirtschaft

Jahrestagung der Österreich-Werbung
St. Michael/Lungau
18. April 1990


Expo '95 – Eine Jahrhundertchance
für die Fremdenverkehrswirtschaft

Dr. Gerhard Feltl


Ich danke für die Gelegenheit, im Rahmen der Jahrestagung der Österreich-Werbung die Weltausstellung 1995 präsentieren zu dürfen.

Im ersten Teil meines Referates will ich einen Bericht über die Zielsetzung und den Stand der Projekt-Realisierung geben. Im zweiten Teil werde ich die Twin-City-Konzeption und die Zusammenarbeit mit Ungarn ansprechen. Und anschließend die Herausforderungen und Chancen skizzieren, die sich aus diesem Jahrhundertprojekt für die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft ergeben.

Das übergeordnete und internationale Ziel der Weltausstellung 1995 ist es, ein Großereignis auszurichten, das den gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts Rechnung trägt. Und das zum attraktiven, unvergeßlichen Erlebnis für seine Besucher wird.

Im Zeitalter der elektronischen Medien, in dem schon jedes Kind meint, bereits alles im Fernsehen gesehen zu haben, wird die Weltausstellung verdeutlichen müssen, daß die "greifbare Wirklichkeit" anregender und spannender ist als jede mediale Wirklichkeit.

Die Weltausstellung ist aber nicht nur eine internationale Herausforderung für Österreich, sie ist vor allem auch eine Herausforderung für die Bundeshauptstadt Wien:

Jede Stadt braucht Symbole, muß Zeichen setzen, um urbanes Selbstbewußtsein entwickeln zu können. Eines der Symbole, an denen sich die Städte und ihre nationalen und internationalen Partner orientieren können, sind Großereignisse wie olympische Spiele oder Weltausstellungen, die Teil einer positiven, in die Zukunft gerichteten städtischen Identität werden können.

Um Ernest Dichter, den berühmten altösterreichischen Motivforscher zu zitieren: "Eine Weltausstellung hinterläßt eine Erbschaft für die Stadt, die sie beherbergt, und für ihre Besucher. Sie muß eine Identifikation mit dem Gebotenen zustande bringen. Jeder Besucher sollte das Gefühl haben, zumindest einen Tag lang in einem neuen Land zu leben, und die Sorgen, die Wünsche und auch die Träume anderer Menschen mitzuerleben."

Die Weltausstellung 1995 soll Vision der Zukunft und Panorama des 21. Jahrhunderts sein. Und zwar nicht nur in der Vorstellung der Veranstalter, sondern vor allem der Aussteller – diese sollen sich und ihre Überlegungen zum Thema "Brücken in die Zukunft" präsentieren und das ausstellen, was sie unter diesem Thema verstehen.

Wir schreiben nicht vor, setzen nicht fest. Wir wollen mit diesem Thema vielmehr stimulieren, Assoziationen auslösen, die Kreativität fördern.

Die Weltausstellung 1995 soll ein "Fest der Kreativität" sein.

Das Thema "Brücken in die Zukunft" umfaßt als Hauptaussage die Forderung an Gastgeber und Architekten, Aussteller und Sponsoren: Dinge und Ideen zu symbolisieren, sichtbar und erlebbar zu machen, die geeignet sind, einen kühnen, aber tragfähigen Übergang von der Gegenwart in die Zukunft zu bilden.

Dabei ist an alle Bereiche des menschlichen Lebens gedacht, besonders aber an jene, wo es um Fragen der Zukunftsbewältigung geht.

"Brücke" bedeutet in diesem Zusammenhang auch "Synthese", also die konstruktive Überwindung von Gegensätzen, die Verbindung zu einem neuen, besseren Ganzen.
Beispiele hiefür sind:

-  Die Versöhnung von Natur und Technik
-  von Ökologie und Ökonomie
-  Die Wechselwirkung von Markt und Planung
-  Das Zusammenwirken von Wirtschaft und Kultur
-  Die Verbindung des Nützlichen mit dem Schönen 
-  Der Ausgleich zwischen High-Tech und High-Touch
-  Die Überwindung der Gegensätze zwischen den Generationen
-  Die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, die 
   es auch in der Welt des Jahres 1995 geben wird.

Grundsätzlich geht es also darum, die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Menschheit durch die Überwindung bestehender Grundsätze die Herausforderungen der Zukunft meistern kann. Das ist das dynamische Hauptelement des Themas "Brücken in die Zukunft".

Die amerikanische Consultingfirma BECHTEL, die uns berät, hat definiert, welchen "benefit of participation" ein Besucher haben muß: "Visitors will gain an understanding of contemporary human affairs and develop a new appreciation for the accomplishments of their predecessors. Some of the elements of the exposition can perhaps be seen at trade fairs, in theatres, at theme parks. However, a combined impact of these features in a single, special-purpose environment, is an unique experience".

Natürlich muß die Expo '95 aber auch Leistungsschau der Leistungsgesellschaft sein. Manifestation der Zuversicht und des Glaubens an die Zukunft.

Das führt zu der Frage: Wo stehen wir in der Projektvorbereitung? Was sind die wichtigsten Vorhaben bis Jahresende 1990?

Am 14. Dezember 1989 erhielten Wien und Budapest den definitiven Zuschlag durch das Weltausstellungsbüro in Paris. Im Dezember bezog die EXPO-VIENNA AG in der Wiener Innenstadt ihre Büroräumlichkeiten. Mit Jahreswechsel wurde das Mitarbeiter-Team rekrutiert – wir haben derzeit 30 Mitarbeiter.

Im Jänner haben vier Architekten-Teams unter Vorsitz von Hans Hollein, Gustav Peichl, Hugo Potyka und Albert Wimmer sogenannte "Leitideen" formuliert. Basierend auf diesen "Leitideen" wurde von der Stadt Wien ein "Leitprogramm" entwickelt, das die grundsätzlichen Überlegungen und Perspektiven für die Gestaltung dieses Entwicklungsraumes enthält.

Dieses "Leitprogramm" wurde am 30. März 1990 vom Wiener Gemeinderat verabschiedet und dient als Grundlage für den Internationalen Architekten-Wettbewerb, der gegenwärtig von der EXPO-VIENNA AG vorbereitet wird. Dieser Wettbewerb ist offen für alle Architekten aus Österreich und aus Ungarn. Darüber hinaus wird eine Gruppe von 10 bis 15 weltweit anerkannten Architekten zur Teilnahme eingeladen werden.

Die konstituierende Sitzung der Jury findet am 21. April statt. Die Ausschreibung läuft von Mitte Mai bis Mitte Oktober, dann folgt die Vorprüfung. Die Jurierung ist für Mitte Dezember 1990 vorgesehen.

Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt ist die Ausarbeitung privatwirtschaftlicher Finanzierungskonzepte: Während die Infrastrukturkosten von der öffentlichen Hand getragen werden, ist der Betrieb der Weltausstellung zur Gänze, sind Gebäude und Anlagen auf dem Weltausstellungs-Areal soweit wie möglich privatwirtschaftlich zu finanzieren.

Eine andere wichtige Entscheidung betrifft die Vergabe des Werbe-Etats. Bei einem zweistufigen Präsentations-Verfahren wurde (aufgrund der einstimmigen Empfehlung einer international zusammengesetzten Jury) die Agenturgruppe GREY an die Spitze gereiht, die den Werbe-Etat für die Weltausstellung 1995 betreuen soll.

Eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung wurde bereits erzielt – nämlich ein durchwegs positives Meinungsklima für die Weltausstellung. Ich darf die neuesten Daten aus einer österreichweiten Umfrage präsentieren:

Lag die Bekanntheit der Weltausstellung Anfang 1988 erst bei 44 % der Österreicher, 
so war sie im Sommer 1989 auf 75 % gestiegen und beträgt derzeit 87 %.

Vor zwei Jahren sprachen sich 65 % der Österreicher "für" die Weltausstellung aus; heute sind es bereits 80 %.

Auch die Besuchsbereitschaft entwickelt sich sehr positiv: Fünf Jahre vor dem Eröffnungstermin erklären bereits zwei Drittel der Österreicher, daß sie die Weltausstellung "auf jeden Fall" besuchen wollen.

Eine aktuelle Repräsentativ-Umfrage beweist, daß auch in Ungarn breite Expo-Zustimmung besteht:

91 % der Ungarn haben schon von der Weltausstellung in Wien und Budapest gehört oder gelesen. "Für" die Weltausstellung in Budapest sind 69 % der Ungarn, nur 19 % sind "eher dagegen" und lediglich 9 % sind "sehr dagegen". 68 % erwarten sich eine Imageverbesserung für Ungarn durch die Expo. 79 % sind überzeugt, daß die Expo '95 zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Österreich und Ungarn führen wird.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Umfrage, die die GfK-Hungaria, ein Tochterunternehmen des renommierten österreichischen Meinungsforschungsinstitutes Fessel+GfK Anfang März 1990 durchgeführt hat.

Diese positiven Daten sind umso bemerkenswerter, als die ungarische Bevölkerung der Expo durchaus problembewußt gegenüber steht: So meinen 76 %, daß die Weltausstellung zwar eine große finanzielle Belastung sei, gleichzeitig aber enormen wirtschaftlichen und politischen Vorteil für das Land darstellt.

Im zweiten Teil meiner Ausführungen möchte ich einige Überlegungen zur Twin-City-Konzeption und zur Kooperation mit Ungarn formulieren:

Bis zur Veranstaltung in Brüssel fanden Weltausstellungen fast nur in Westeuropa, seit dem Jahr 1958 nur mehr in Übersee statt. Erst mit der Expo 1992 in Sevilla kehrt die Idee der Weltausstellung wieder nach Europa zurück.

Nach einer Reihe von spezialisierten und universellen Weltausstellungen wird die Expo '95 in Wien und Budapest aufgrund ihrer "Twin-City-Konzeption" die erste wirklich supranationale, die erste wirklich mitteleuropäische Weltausstellung sein.

Dieses Twin-City-Konzept beruht auf zahlreichen guten Gründen:

-  Die Welt voneinander abgeschotteter Nationalstaaten wird zu einer Welt der 
   großen transnationalen Räume.

-  Die Geographie hat uns Österreichern und Ungarn einen solchen Raum 
   – den Donauraum zugeschrieben.

-  Die Geschichte hat jahrhundertelange gemeinsame Erfahrungen hinterlassen.

- Österreich und Ungarn haben über einen Zeitraum von 500 Jahren miteinander 
  zu kommunizieren und zu kooperieren gelernt.

-  40 Jahre Trennung durch den Eisernen Vorhang haben diese 500 Jahre 
   Gemeinsamkeit nicht ausgelöscht. Und auch in den Jahren der Trennung 
   während des "Kalten Krieges" war Österreich aufgrund seiner Neutralität 
   in der Kooperation mit dem Osten anderen Ländern meist voraus.

-  Dank der europäischen Entwicklungen ist Wien nicht mehr "Kopfbahnhof" 
  (oder "Endstation", wie Ingeborg Bachmann in ihrem Werk "Das dreißigste Jahr" 
   feststellte), sondern "Brückenkopf" Westeuropas. Herzstück der "neuen alten 
   Heimat" Mitteleuropa. Vom Rand in das Zentrum Europas gerückt.

-  Der Eiserne Vorhang ist gefallen. Wir haben die Chance, durch dieses 
   gemeinsame Mega-Projekt ein Signal zu setzen und dieser historischen 
   Entwicklung Rechnung zu tragen.

-  International – das zeigen zahlreiche Medienberichte von "Il Mondo" bis zur 
  "New York Times" – läßt sich die Weltausstellung in Wien und Budapest 
   besser vermarkten als eine "traditionelle" Expo. Sie ist durch die 
  Twin-City-Konzeption wesentlich attraktiver und interessanter geworden.

Was die Frage nach der Projekt-Treue des ungarischen Partners betrifft: Ich gehe davon aus, daß Österreich und Ungarn die Weltausstellung nicht nur gemeinsam planen, sondern im Jahr 1995 auch gemeinsam durchführen werden.

Dafür gibt es zahlreiche gute Gründe. Für Ungarn sind die Vorteile aus einer Weltausstellung zu groß, um sie nicht wahrzunehmen. Ich will einige dieser Argumente auflisten:

Eine Weltausstellung in Budapest

- ist Auslöser für längst notwendige Infrastrukturinvestitionen;
- beschleunigt die Annäherung Ungarns an den Westen; 
- ist Magnet für Auslandskapital, das lieber in ein attraktives Großereignis 
  drängt als in Kleininvestitionen;
- erzeugt enormen Image-Gewinn für Ungarn als weltoffenes, marktwirtschaftlich 
  orientiertes Land;
- hinterläßt zahlreiche nachnutzbare Expo-Einrichtungen und eine 
  ausgebaute Verkehrsinfrastruktur.

Keine demokratische Regierung wird gegen die positive Expo-Stimmung in Ungarn agieren.

Nicht zuletzt wird Ungarn – nach Nagymaros – alles vermeiden, was das Land international als unzuverlässigen Geschäftspartner erscheinen läßt.

Zur Realisierung des Twin-City-Konzeptes sind zwei getrennte Gesellschaften – nämliche die EXPO-VIENNA AG und eine EXPO-BUDAPEST AG – vorgesehen. Ihre Aufgabe ist die Planung, Errichtung, Finanzierung, Durchführung und der Betrieb der Weltausstellung am jeweiligen Standort.

Die gemeinsamen internationalen Marketing-Aktivitäten sollen im Rahmen einer Joint-Venture-Vereinbarung definiert und durchgeführt werden.

Dieses Konzept der organisatorischen Teilung in "gemeinsame" und "separate" Angelegenheiten hat sich schon einmal in der österreichisch-ungarischen Geschichte bewährt.

Robert Musil hat das zwar zum Anlaß genommen, von "Kakanien" zu sprechen. Wie sein Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" aber belegt, war er sich einer Tatsache sehr genau bewußt: Partnerschaft zwischen Gleichberechtigten erfordert komplexe Organisations-Strukturen.

"Gemeinsame" Expo-Angelegenheiten (also solche, die die Marketing-Gesellschaft) betreuen soll) sind

- die Aufteilung der Aussteller und Sponsoren auf die beiden Standorte
- die Ticket-Politik und gemeinsame Tourismus-Packages
- die internationale Kommunikationsarbeit, insbesondere Advertising und Promotion.

Die Werbeagentur Grey hat im Rahmen der Österreichisch-Ungarischen Regierungskommission im März 1990 die ersten Werbe-Konzepte und die Bedeutung einer einheitlichen Werbelinie dargestellt.

Das erfordert

- engste Zusammenarbeit mit den Organisationen der Fremdenverkehrswerbung 
  in beiden Ländern

-  Einbindung der drei Millionen Auslands-Ungarn und der halben Million
   Auslands-Österreicher in die entsprechenden Werbekonzepte

- Ausbau der Verkehrsverbindungen zwischen Wien und Budapest. Es ist kurios, 
  daß im Jahr 1914 sieben Schnellzugspaare zwischen den Metropolen verkehrten, 
  im Jahr 1990 lediglich vier. Das heißt: In 76 Jahren technischen Fortschritts 
  hat sich die Frequenz verringert und die Fahrtzeit nur um eine Stunde verkürzt 
  – wie die historischen Kursbücher belegen.


Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Expo '95 ist ein österreichisch-ungarisches Ereignis, sie ist aber auch ein gesamtösterreichisches Projekt: Nach einer Repräsentativerhebung von TRICONSULT erwarten 96 % der Österreicher, daß sich Österreich auf der Expo dem Ausland präsentiert. Es entspricht also durchaus dem Wunsch der österreichischen Bevölkerung, wenn möglichst alle Bundesländer

- sich in einem eigenen Pavillon präsentieren
- das Thema innovativ und kreativ umsetzen
- breitenwirksame Beiträge zum Unterhaltungsprogramm auf der Expo gestalten
- Ergänzungs-Attraktionen veranstalten und diese terminlich und inhaltlich mit der
  EXPO-VIENNA AG koordinieren.

Um ein möglichst konstruktives Zusammenwirken sicherzustellen, haben wir daher vorgeschlagen, aus dem Bereich jedes der neun Bundesländer jährlich bis zu drei Großveranstaltungen oder publikumswirksame Initiativen besonders hervorzuheben.

In Abstimmung mit dem Bundesländer-Beirat sollen jene Initiativen in ein "Veranstaltungsregister" der EXPO-VIENNA AG eingetragen werden, die einige wesentliche Kriterien erfüllen, nämlich:

- Verwandtschaft mit Thema und Idee der Weltausstellung
- überregionale Bedeutung sowie grenzüberschreitenden Charakter
- hohe Publikumswirksamkeit und internationale Akzeptanz und Attraktivität
- sowie Realisierung im Veranstaltungszeitraum 1991 bis 1996.

Jene Projekte, die diesen Anforderungen entsprechen, sollen ein sogenanntes "Expo-Siegel" erhalten. Das bedeutet: Das betreffende Projekt (z.B. eine Landesausstellung) wird in allen Publikationen der EXPO-VIENNA AG national und international als "Bestandteil der Weltausstellungsvorbereitungen" aufgenommen und beworben.

Gleichzeitig ist der Veranstalter berechtigt und verpflichtet, das noch zu schaffende Expo-Logo mit dem Zusatz "in Zusammenarbeit mit der Weltausstellung 1995" in seine Werbemittel aufzunehmen und auch den Vertrieb von Werbematerial in einer dem jeweiligen Rahmen entsprechenden Form zu unterstützen.

Entscheidende Ansprechstelle ist in diesem Zusammenhang der Bundesländer-Beirat, der in den kommenden Jahren zur zentralen Ideen-Clearing-Stelle sowie zum Koordinationsorgan der Bundesländer in Sachen Weltausstellung werden soll.

Jüngste Umfragen haben ein bundesländerweise sehr unterschiedliches Expo-Bewußtsein aufgezeigt. Es muß noch einiges getan werden, um die Weltausstellung tatsächlich zu einem gesamtösterreichischen Anliegen werden zu lassen.

- 66 % der Österreicher wollen die Expo besuchen:
  82 % der Wiener,
  51 % der Vorarlberger.

- Konkrete Vorschläge, die Bundesländer in die Expo "miteinzubeziehen", haben 
  23 % der Österreicher;
  30 % der Burgenländer,
  15 % der Vorarlberger.

- Auf einer Schulnotenskala benoten die Österreicher die Expo mit "1,9";
  die Steirer mit "1,6"
  die Vorarlberger mit "2,2".

Teil unserer Arbeit wird es daher sein, die Bundesländer intensiv in die Planung und Vorbereitung einzubeziehen und die Vorteile, die sich aus der geplanten Weltausstellung nicht nur für die Ostregion, sondern für ganz Österreich ergeben, herauszuarbeiten.


Sehr geehrte Damen und Herren!

Im dritten Teil meiner Ausführungen möchte ich die Weltausstellung als Herausforderung an die Fremdenverkehrswirtschaft beschreiben und unsere wichtigsten Marketing-Prioritäten darstellen:

Befragt nach den Pro-Argumenten für eine Weltausstellung nannten an erster Stelle 74 % der Österreicher "die Expo als Fremdenverkehrsereignis". An zweiter Stelle folgt mit 69 % "die Expo dient der Völkerverständigung".

Eine realistische Einschätzung – immerhin erwirtschaftet Österreich 8 % seines BIP mit dem Fremdenverkehr.

Die fremdenverkehrs-freundliche Einstellung der Bevölkerung ist eine hervorragende Grundlage für eine Reihe von fremdenverkehrspolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Weltausstellung.

Aber lassen Sie mich zunächst die erhobenen Besuchs-Szenarien zusammenfassen: Einer Besucherstrom-Analyse des Meinungsforschungs-Institutes TRICONSULT zufolge können wir mit rund 20 Millionen Besucher rechnen. Segmentierung:

- 10,6 Millionen Besuche von Österreichern
- 1,7 Millionen Besuche von ausländischen Touristen aus den Bundesländern
- 1,9 Millionen Besuche durch ausschließlich wegen Expo nach Wien kommender 
   westlicher Ausländer sowie
- 6,1 Millionen Besuche aus osteuropäischen Ländern

Ergibt in Summe 20 Millionen Besuche.

Die Analyse geht davon aus, daß 65 % der westlichen Wien-Besucher und 20 % der westlichen Bundesländer-Touristen die Expo besuchen werden.

60 – 80 % der ausländischen Bundesländer-Besucher kommen derzeit mit dem Auto nach Wien. In Zusammenarbeit mit der Fremdenverkehrswirtschaft und den Verkehrsplanern müssen wir – zur Vermeidung von Verkehrsproblemen – entsprechende Alternativen der Anreise (Bahn, Bus, Schiff, eventuell Flugzeug) bis 1995 aufbauen und propagieren. Das Schwergewicht dürfte dabei laut TRICONSULT auf der Busanreise liegen.

Entsprechende Parkplätze für Autobusse werden deshalb jetzt schon in die Expo-Planung einbezogen. Darüber hinaus soll der Individualverkehr durch Park & Ride-Einrichtungen schon vor Wien abgefangen und in öffentliche Verkehrsmittel umgelenkt werden.

Wichtige Zielgruppen für die Fremdenverkehrswerbung werden die Kategorie der "nur" wegen der Expo nach Österreich kommenden westlichen Ausländer (1,7 Millionen Besuche) sowie die westlichen Wien-Besucher sein, die auch auf die Expo gehen (1,9 Millionen Besuche).

Wird über die Expo-Werbung von Anfang an Österreich-Werbung transportiert, sollte es nicht schwerfallen, diese Besucherkategorien zu einem zusätzlichen Bundesländer-Besuch zu animieren. Jedenfalls müßte jedem Expo-Besucher ein attraktives Bundesländer-Offert vorliegen.

Vom Ost-Tourismus weiß ich, daß er in Expertenkreisen vielfach skeptisch aufgenommen wird. Lassen Sie mich dennoch ein paar Überlegungen dazu formulieren.

TRICONSULT ging bei seiner Besucherschätzung von einem Szenario der "weiteren politischen Öffnung im Osten, gekoppelt mit wirtschaftlichen Problemen, sowie einer weiterhin hohen Attraktivität der Expo für die östliche Bevölkerung" aus.

Gelingt der Infrastrukturpolitik der Ausbau der Bahnverbindungen und Park & Ride-Einrichtungen; gelingt der Fremdenverkehrswerbung das Offert günstiger Packages mit öffentlichen Verkehrsmitteln – dann sollten wir tatsächlich den öffentlichen Verkehr gegenüber dem Individualverkehr dominant positionieren können.

Wenn diese Maßnahmen nicht helfen und wider Erwarten Osteuropa bis 1995 eine Motorisierungswelle ungeahnten Ausmaßes erfassen sollte, dann müßte als Teuerungsinstrument die Preisgestaltung eingesetzt werden.

Die Chancen, aus dem Ost-Tourismus sind jedenfalls sehr positiv: Vor allem die Ungarn (später vielleicht auch die Tschechen) stellen für Wien und Österreich ein interessantes Potential dar. Immerhin betrugen im vergangenen Jahr die Tourismusausgaben der Ungarn in Österreich rund zwei Milliarden Schilling.

Die Auslandfahrten der Ungarn werden voraussichtlich im nächsten Dezennium weiter zunehmen. Österreich als unmittelbarer Nachbar wird davon am meisten profitieren: 1989 gab es in Österreich mehr als 570.000 Nächtigungen von Ungarn – einem Volk, das fälschlicherweise nur als Tagestouristen eingestuft wird!

Wer jetzt in das ungarische Touristenpotential investiert, hat in zehn Jahren vielleicht einen kaufkräftigen und treuen Gast für Österreich gewonnen. Gleiches dürfte – vielleicht etwas phasenverschoben – auch für Tschechen und Slowaken gelten.

Gemeinsam mit den Experten der Tourismusindustrie wollen wir eine optimale Marketingstrategie entwickeln. "Schwerpunktmärkte" werden zwar die Nachbarländer sein, aber "Schwerpunktmärkte" und "Marketing-Prioritäten" sind nicht immer ident.

Der Fremdenverkehrsprognostiker Egon Smeral sagt in seinem vor kurzem erschienen Buch "Tourismus 2000" einen wichtigen neuen Trend voraus: Den Tourismusstrom von Süden nach Norden. Die Hoffnungsmärkte der Zukunft – und daher eine unserer Marketing-Prioritäten – werden für Österreich somit Spanien, Italien und Griechenland sein.

Dieser Trend hat bereits eingesetzt: 1989 nächtigten um 33,3 % mehr Italiener in Österreich als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Bei den Spaniern ist ein Zuwachs von 25 % zu verzeichnen. Insgesamt betrug der Nächtigungszuwachs im vergangenen Jahr 8,4 %.

Dieses mediterrane Tourismusaufkommen stellt alle Fremdenverkehrs-Veranstalter vor völlig neue Aufgaben. Das gilt auch für die Weltausstellung 1995 in Wien und Budapest.

Eine weitere Marketing-Priorität wird der "Städtetourismus" und der "Kurzurlaub" sein. Für uns ist es leichter, einen typischen Städtetouristen zur Expo zu bringen als einen Bergwanderer – obwohl auch er dazu animiert werden soll. Und für Österreichs Fremdenverkehrswirtschaft ist der Städtetourismus vorrangig, weil

- er äußerst dynamisch wächst,
- die Besucher überdurchschnittlich viel ausgeben
- unser Land genau das bietet, was gesucht wird: Kultur, Life Style, Komfort.

Noch ein anderes Indiz für das Wachstumspotential des Städtetourismus: London ist das Hauptziel der bundesdeutschen Städtetouristen. 3,7 Millionen fahren nach London, nur 1,3 Millionen besuchen Wien. Für die Spanier lauten die Zahlen: London 2,7 Millionen, Wien 0,1 Millionen. Ziel muß also die Steigerung des Städtetourismus der bisher Wien-abstinenten Nationen sein.

Die Expo kann dabei ein wichtiges Stimulans sein.

Die dritte Marketing-Priorität wird in den Bereich der Besucher insbesondere aus Japan, Korea, China und den USA, gesetzt. Wir wissen, daß gerade Gäste aus fernen Ländern länger in Österreich bleiben. Außerdem wird die "Asia-Pacific-Area", (also Japan, Taiwan, Korea, Australien und Kalifornien) "das" zukünftige Zentrum der wirtschaftlichen Dynamik sein.

Durch ein Großereignis wie die Weltausstellung wird Österreich als Zielland in Übersee vielfach erst bekannt: Werbung für die Expo im Ausland ist also Werbung für Österreich im allgemeinen – und für den Fremdenverkehr im besonderen.

Durch die Weltausstellung wird ein neues attraktives "Sujet" in die Werbung für Wien und Österreich eingeführt. Die bekannten Vorzüge werden durch Unique Selling Proposition eines Weltausstellungsbesuches bereichert.

Darüber hinaus müssen in der Marketing-Planung auch unkonventionelle Wege beschritten werden. Wie sie etwa der Marketingexperte Hans von Bergen in seinem neuesten Buch "New Marketing – Die Zukunft inszenieren" beschrieben hat:

"Um ‚Unübliches' zu erarbeiten, muß USP (also Unique Selling Proposition) auf UMP (Unübliche Marketpräsenz) umgeschaltet und umgelenkt werden.

Selbst unser florierender Fremdenverkehr braucht immer wieder neue Impulse. Die Wiener Weltausstellung kann ein solcher – auch unkonventioneller – Impulsgeber sein.

Dieses Jahr ist für uns in der EXPO-VIENNA AG das Jahr der "Produkt-Definition" und der Planung. Das gilt insbesondere auch für den Marketing-Bereich.

TRICONSULT hat gemeinsam mit der Österreich-Werbung Eckdaten und Rahmenbedingungen einer solchen Marketing-Strategie für die Weltausstellung 1995 erarbeitet.


Im vierten Teil meines Referates möchte ich thesenhaft die wichtigsten Trends und Forschungsergebnisse skizzieren:

1. Die Japaner kommen.

1995 werden die Deutschen (gefolgt von den Italienern) nach wie vor den größten Anteil am Wien-Tourismus stellen. Die Japaner – derzeit auf Platz 6 – werden jedoch auf den dritten Platz vorrücken.

2. Der Bus-Tourismus wird zunehmen.

3. Kinder werden im Tourismus eine größere Rolle spielen.

Dieser Trend ist vielfach noch nicht genügend bewußt. Familienreisende mit Kindern müssen in Zukunft jedoch stärker berücksichtigt werden: Die Dänen kommen schon zu 30 % mit ihren Kindern. Die Briten erst zu 5 %. Durch eine besonders kinder-, familien- und jugendfreundliche Gestaltung kann die Expo helfen, den Österreich-Tourismus zu verjüngen.

Das ergibt sich aus der besonderen Besucherstruktur einer Weltausstellung: Kinder und Jugendliche werden ein wichtiges Besuchersegment sein. Investition in die Zukunft unseres Tourismus.

4. Auch dem Senioren-Tourismus ist Rechnung zu tragen.

Die britischen Österreich-Besucher sind etwa zu 54 % älter als 50 Jahre, nur 15 % von ihnen sind unter 29 Jahre. Die Italiener hingegen, die Ausnahme, weisen nur 
20 % über 50-jährige auf.

Die Expo wird in ihren Ausstellungs- und Veranstaltungsprogrammen diesen unterschiedlichen Zielgruppen Rechnung tragen müssen.

5. Der Stammgästeanteil ist zu erhöhen.

Auch hier kann die Weltausstellung beitragen die derzeitigen Strukturen zu verbessern: 85 % der Deutschen sind Stammgäste, aber nur 38 % der italienischen Besucher kommen regelmäßig nach Österreich.

Unsere Tourismus-Ansprache muß daher – sinngemäß – lauten: Kommen Sie zur Expo, kommen Sie nach Wien, verbringen Sie ein paar Tage in Österreich – kommen Sie nächstes Jahr wieder. 

6. Die Erwartungen der Urlaubsgäste sind zu berücksichtigen.

Derzeit erwarten sich 65 % der Besucher von ihrem Österreich-Aufenthalt "Erholung", nur 22 % wollen "Neues erleben". Wir müssen uns einerseits auf die Erlebnishungrigen konzentrieren (etwa die Italiener: Sie wollen sich nur zu 19 % erholen, jedoch zu 55 % "Neues erleben"). Andererseits haben wir aber in unseren Expo-Werbemaßnahmen ein spezifisches Image aufzubauen: Die Expo ist keine Strapaz, sondern "Erholung beim Erleben von Neuem".

7. Vor dem Jahr 1995 liegt aber der "Gemeinsame Markt"; diese gewaltige Marketing-Herausforderung von 320 Millionen Euro-Konsumenten muß erst noch bewältigt werden.

Das Europa des Jahres 1992, sagt der internationale Marketingexperte David Butter, "wird das Europa der national unterschiedlichen Märkte aufheben, aber noch nicht das Europa der gemeinsamen Konsum- und Wertvorstellungen entstehen lassen."

Das Europa des Jahres 1992 wird daher durch zwei Touristenkategorien gekennzeichnet sein: Durch "Main Streamer" (die in allen Nationen die gleichen Merkmale aufweisen) und durch "Innovatoren" (den Individualisten und Trendsettern).

Die Expo muß für beide da sein: Für die Main Streamer – weil sie mit 140 Millionen die Mehrheit darstellen. Und für die Innovatoren – weil diese, so David Butter, "die ersten Konsumenten von europaweiten Markenprodukten sein werden. Weil sie Abwechslung lieben. Weil sie sich unterscheiden wollen. Sie probieren gerne ausländische und neue Produkte aus und wollen deutlich machen, daß sie Traditionen ablehnen."

Trendsetter sind Leute, die in England Wein trinken und in Italien Bier konsumieren. Main Streamer hingegen sind Leute, die einen Ford kaufen und ihn in Amerika als amerikanisches, in England als britisches und in Deutschland als deutsches Auto empfinden – obwohl sie alle das gleiche Auto fahren.

Beide Konsumentengruppen finden sich auch im Tourismus. Beide Zielgruppen müssen wir ansprechen. Für beide Zielgruppen müssen wir spezifische Marketing-Strategien entwickeln.


Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen:

Dieses Jahrzehnt wird, wenn es keinen Rückschlag gibt, als das eigentliche europäische Jahrzehnt in die Geschichte eingehen: An der Schwelle des dritten nach-christlichen Jahrtausends wird die Vision eines vereinigten Kontinents ohne Schlagbäume und Handelsschranken sichtbar.

Mitten in diesem europäischen Jahrzehnt, im Jahre 1995, werden Wien und Budapest Gastgeber für Millionen Besucher aus Europa und Übersee sein. Sie werden durch eine gemeinsame Weltausstellung den Versuch unternehmen, "Brücken in die Zukunft" zu schlagen und Entwicklungen über das Jahr 2000 hinaus darzustellen.

Nach allen vorliegenden betriebs- und volkswirtschaftlichen Modellrechnungen wird die Weltausstellung 1995 Schwunggrad der Gesamtwirtschaft und Impulsgeber für den Fremdenverkehr sein. Die Weltausstellung wird Österreich eine neue Identität, ein neues Selbstbewußtsein vermitteln können.

Voraussetzung dafür ist effizientes Management. Ungebrochener Optimismus. Und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Österreicher.

Es wird nicht zuletzt an Ihnen – meine sehr verehrten Zuhörer – liegen, uns bei der stufenweisen und erfolgreichen Verwirklichung dieses österreichischen Großvorhabens wirkungsvoll zu unterstützen.

04/90 Dr. Gerhard Feltl ist Mitglied des Vorstandes der EXPO-VIENNA AG