Themen > Design > Feasibility-Study "Jugend und Design"

Formulierung einer
 neuen Design-Strategie für Österreich

Gerhard Feltl

 Das in den fünfziger Jahren gegründete Österreichische Institut für Formgebung (ÖIF) findet heute ein Aktionsfeld vor, das sich im Laufe der Zeit radikal verändert hat. Als Folge dieser gesellschaftlichen Prozesse hat sich auch das Verständnis und die Aufgabe von Design geändert. Design ist heute nicht mehr allein Formgebung  von Produkten, sondern global wirksamer Innovationsfaktor  und gleichzeitig Ausdruck der Identität  eines Landes. Konsequenterweise werden Investitionen in Kulturwirtschaft und Design heute von vielen Staaten als effiziente und langfristig wirksame Strategie zur sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung eines Landes, einer Region oder einer Stadt angesehen. 

"Die Bausteine der Umwelt sind weder der Mensch noch die Dinge, sondern die unsichtbaren Regeln der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozesse". Ein Vierteljahrhundert nach diesem visionären Statement des Kulturphilosophen und Design -Theoretikers Lucius Burckhardt postuliert die Harvard-Professorin Elisabeth Moss  Kantor einen Paradigmen-Wechsel des Wirtschaftens, nachdem die "Weltklasse" eines Unternehmens in Zukunft nicht mehr auf den traditionellen Kriterien Kapitalausstattung, Technologie oder Personal beruht, sondern sich aus den immateriellen Ressourcen concepts, competence and connections zusammensetzen wird.  

Beide Einsichten verweisen auf die Notwendigkeit, den Strukturmerkmalen des postindustriellen Zeitalters nicht länger mit den Rezepten von gestern zu begegnen, sondern neue und unkonventionelle Lösungen zu suchen. Gesättigte Märkte, technologische Patt -Situationen und das Verschwinden von Qualitätsunterschieden schaffen völlig neue Voraussetzungen für Arbeit und industrielle Produktion. Aber auch bisher inhaltlich kaum hinterfragte Instrumentarien wie Exportförderung oder Standortpolitik müssen angesichts der skizzierten Entwicklung neu überdacht werden.  

Design ist eine dieser von Moss Kantor apostrophierten Ressourcen - nicht nur zur Gestaltung ansprechender Produkte, sondern vor allem als Instrument, um Ideen in die Realität umzusetzen. Aus diesem Grunde könnte Design im Strukturwandel der Wirtschaft eine Schlüsselfunktion einnehmen - wenn es gelingt, den notwendigen Umdenkprozeß nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in den Schaltzentralen und in den Amtsstuben der Politik einzuleiten. 

Ein neues Selbstverständnis. 

Nach umfangreichen Recherchen bei verschiedenen internationalen Design-Institutionen sowie Kontakten insbesondere auch mit Michael Thompson vom British Design Council  strebt das ÖIF (unter Bezugnahme auf die im Jahr 1996 verabschiedete Design-Philosophie) eine grundlegende Neupositionierung an:
Wir müssen erkennen, daß Design-Promotion  im Sinn einer Wettbewerbshilfe (vor allem auf den Exportmärkten) nicht mehr ausreichend den aktuellen Bedürfnissen der Wirtschaft und den längerfristig wirksamen gesellschaftspolitischen Trends entspricht. 

Die Aufgabe eines zeitgemäßen Design-Zentrums liegt daher nicht mehr ausschließlich in einer Clearing-Funktion zwischen Design und Wirtschaft, sondern geht in Richtung eines entwicklungsorientierten Modells, das sich an den Grundwerten concepts, competence and connections  orientiert. Ein derartiges Modell muß sich auf das Wissen der Zukunft konzentrieren, Veränderungsmanagement für Innovationen betreiben sowie Forschung, Ausbildung und Kommunikation fördern. 

Andere Länder haben dies bereits erkannt. Ein eindrucksvolles Beispiel ist Großbritannien, wo im März 1997 in einer House of Lords Debate von der Labour-Party eine vielbeachtete Anfrage an die britische Regierung gerichtet wurde,  welche konkreten Maßnahmen und Aktivitäten geplant seien, um das Wertschöpfungspotential von Design und Kulturwirtschaft optimal zu erschließen. Diese Anfrage war Teil der Wahlkampfoffensive und wurde anschließend Bestandteil des Regierungsprogrammes von Tony Blair, der sich und seine Partei damit als Gesprächspartner der britischen Wirtschaft und Industrie positioniert und im Rahmen eines Fünf-Punkte-Programmes die Bereiche Innovation, Technologie und Design als fundamentale Voraussetzungen für britische competitiveness definiert hat.  

Das britische Beispiel zeigt, daß Umdenkprozesse in der Wirtschaft und in der Politik einander wechselseitig bedingen. Das gilt auch für die österreichische Situation. 

Das ÖIF ist stets für eine stärker koordinierte und konturierte Design-Politik eingetreten. Auch dafür kann eine Erkenntnis von Lucius Burckhardt als Leitlinie dienen: "Qualität entsteht nur, wenn Engagement auf individueller und kollektiver Ebene zusammenfindet und politisch wirksame Spuren legt." 

Das ÖIF will daher in Zukunft nicht allein Plattform für den Design-Dialog sein, sondern an der Entwicklung von Design aktiv mitarbeiten - als Katalysator und Impulsgeber für Know-how-Transfer. Das ist eine integrative Aufgabe, die andere Einrichtungen der Design-Community (wie Standesvertretungen, Ausbildungs-institutionen oder wirtschaftliche Interessensvertretungen) nicht leisten können. 

Ein neuer Arbeitsplan.  

Das solcherart neu organisierte Design-Institut hat gemeinsam mit den Ansprechpartnern aus Industrie, Wirtschaft und Politik einen mittelfristig wirksamen Arbeitsplan zu entwickeln, der insbesondere als Zielsetzung realisiert:  

·      die Förderung und Entwicklung unkonventioneller, innovativer Design-Lösungen,

·      die Stimulierung interdisziplinärer und multidisziplinärer Arbeitsweisen,

·      den Transfer immaterieller Design-Ressourcen in konkrete wirtschaftliche Nutzanwendungen für Österreich.

 Eine solche Neupositionierung (nämlich das ÖIF den künftigen Bedürfnissen der Industrie und der Volkswirtschaft näher anzupassen, die sich entwickelnde Rolle Österreichs in Europa schwerpunktmäßig zu unterstützen und die Konkurrenzfähigkeit österreichischer Produkte auf den internationalen Märkten zu erhöhen) könnte für die politischen Entscheidungsträger eine attraktive Option darstellen. 

In einem ersten Schritt wäre ein Stufenplan mit nachfolgenden Schwerpunkten zu formulieren: 

1.   Weiterentwicklung der Instituts-Philosophie in Richtung einer nationalen Design-Politik  (im Sinne der Design-Resolution vom 24. Oktober 1997)

2.   Gründung eines Österreichischen Forums für Industrie und Wirtschaft, um neue Instrumentarien, internationale Erkenntnisse und Erfahrungen nutzbar zu machen (der erste Referent in einem solchen Forum könnte Mr. Tony Blair als Gast der österreichischen Bundesregierung sein, der über die positive Zusammenarbeit zwischen seiner Regierung und dem British Design Council informiert)

3.   Ausarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungssituation unter aktiver Einbeziehung der geplanten New School of Design Vienna  sowie unter Fokussierung auf Design-Ausbildung im außeruniversitären Schulbereich

4.   Schaffung eines National Identity Forums  zur Integration der kulturellen und ökonomischen Auswirkungen von Design in eine Corporate Identity für Österreich in Europa

5.   Erarbeitung eines Forschungsprogrammes  in Hinblick auf optimale Nutzung der EU-Ressourcen für Design und Kulturwirtschaft

6.   Formulierung eines Kommunikationskonzeptes  zur Verbesserung des Informationsaustausches mit der Fachöffentlichkeit

7.   Erarbeitung eines Sponsoring-Konzeptes

8.   Berücksichtigung von Kulturwirtschaft und Design in den Regierungserklärungen des Bundes, der Länder sowie in den Wirtschafts- und Kulturprogrammen der Parteien

9.   Neukonzeption und substantielle Aufwertung des Staatspreises für Design 

Ein neuer Name. 

Da der Begriff Formgebung  für die beschriebenen Aktivitäten nicht mehr ausreicht, ist für ein derart neupositioniertes Design-Institut auch eine neue Bezeichnung zu finden. In Übereinstimmung mit internationalen Vorbildern wird vorgeschlagen, das Österreichische Institut für Formgebung in Design-Zentrum Österreich  (Design Center Austria) umzubenennen. 

Eine ausreichende Budgetierung. 

Die skizzierten neuen Aufgabenstellungen, aber auch international vergleichbare Erfahrungen machen nach ersten Schätzungen ein Jahresbudget von rund öS 15 Millionen erforderlich. 

Dieses Budget ist auf Basis eines im Detail noch zu entwickelnden Drei-Jahres-Planes notwendig und sollte zu je einem Drittel von der öffentlichen Hand, von Wirtschaft und Industrie sowie von privaten Sponsoren aufgebracht werden. 

In diesem Zusammenhang ist auch der anläßlich meiner Wahl zum ÖIF-Präsidenten im Jahr 1994 formulierte Vorschlag neuerlich zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß die Finanzierung aus den Rücklagen der Nationalbank erfolgen könnte - wobei das Stiftungsvermögen unangetastet bleibt und die Budgetierung aus den jährlichen Zinserträgen erfolgt. Damit wäre sichergestellt, daß der Substanzwert des Vermögens nicht angegriffen wird. 

Eine neue Organisationsform. 

Die bisherige Vereinsform ist für die zukünftigen Aufgaben nicht ausreichend, daher ist eine neue Organisationsform (etwa in Form einer Stiftung) auszuarbeiten. 

Auch die Statuten des ÖIF sind zu überarbeiten - wobei sowohl die Aufgaben des Vereins, als auch insbesondere die Zusammensetzung der Gremien tiefgreifend verändert werden muß. Anzustreben ist eine breitere Basis der Vereinsmitglieder unter besonderer Beachtung kultureller Institutionen (wie z.B. der Kunstsektion im Bundeskanzleramt, des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, aber auch von Einrichtungen zur Innovationsförderung wie etwa Technologieförderungsfonds etc.). 

Die Republik Österreich wird im zweiten Halbjahr 1998 den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernehmen. Für unser Land, für seine Regionen und für seine Hauptstadt ergibt sich damit die einmalige Chance, im Fokus internationaler Aufmerksamkeit neue Image-Akzente zu setzen, die gleichzeitig auch als Auslöser eines dringend notwendigen Modernisierungsschubes wirksam werden können. 

Kulturwirtschaft und Design haben das dafür notwendige Potential. Was fehlt, ist eine kraftvolle, überzeugende und koordinierte Investitionspolitik. Für Österreich, für Wien wäre es daher sinnvoll und lohnend, schon jetzt das umzusetzen, womit sich Glasgow im Jahr 1999 als City of Architecture and Design  präsentieren wird: "By highlighting new thinking to position Glasgow as a major european city of ideas". 

08/97 - Dr. Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG-Holding, Präsident des Österreichischen Instituts für Formgebung (ÖIF), Vizepräsident der Wiener Festwochen sowie Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg.