Themen > Design > Eröffnungsstatement zur Plagiarius-Ausstellung

Gerhard Feltl

Sehr geehrter Herr Professor Busse,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Freunde des Österreichischen Instituts für Formgebung! 

Ich möchte Sie heute zu einer ungewöhnlichen Ausstellung begrüßen: alle Objekte, die Sie hier betrachten können, sind Plagiate. Gewissermaßen "Objekte der Begierde"und ausbeuterischer Begehrlichkeit - entstanden unter bewußter Verletzung des Urheberrechtes.  

Die Tatsache, daß es heute bereits eine florierende Plagiat-Industrie mit funktionierenden Vertriebswegen und "grauen" bis "schwarzen" Märkten gibt,muß natürlich zu denken geben. 

Natürlich können wir uns in diesem Zusammenhang fragen, ob es sich bei dieser Entwicklung lediglich um eine unerfreuliche Begleiterscheinung der Industriekultur handelt - die man mit Gesetzen und administrativen Maßnahmen eindämmen kann. Oder um ein unvermeidbares Übel, das wir einfach in Kauf nehmen müssen. 

Über diesen Aspekt wird Herr Professor Busse sprechen. Ich möchte daher einen anderen Aspekt des "Phänomens Plagiat" kurz beleuchten: 

Es dürfte unbestritten sein, daß immer nur erfolgreiche Produkte und gutes Design nachgemacht werden. Schlechtes Design und Produkte, die niemand kaufen will, wird auch niemand plagiieren.

Je besser und hochwertiger ein Produkt, je origineller und innovativer sein Design ist - desto größer ist die Plagiats-Gefahr. Schrott und Kitsch sind fälschungssicher. 

Will man zynisch sein, dann könnte man sogar behaupten, daß sich der Standard einer Industriekultur auch an der Anzahl und an dem Niveau der Plagiate ablesen läßt. 

Im Gegensatz zu den Fälschungen (wie wir sie etwa aus der Malerei kennen) handelt es sich in unserem Falle aber um Plagiate industriell hergestellter Produkte. 

In der Regel sind diese Plagiate minderwertige Nachahmungen - meist aus schlechterem Material und mit geringerer Sorgfalt hergestellt. Im Gegensatz zum Fälscher, der sich ein Gemälde von Rembrandt oder eine Komposition von Kandinsky als Vorlage aussucht, kopiert der Plagiator kein Original, sondern eine Original-Idee

Das gleiche macht auch der legale und lizensierte Produzent - nur daß dieser die Voraussetzungen des Herstellers korrekt beachtet.   

Der Plagiator profitiert somit von der "technischen Reproduzierbarkeit" der Gegenstände im Sinne von Walter Benjamin - sein Werk ist sozusagen eine "Nachahmung zweiter Ordnung". 

Neben dem wirtschaftlichen Vorteil nutzt der Plagiator somit parasitär eine kreative Fremdleistung, indem er sich den aufwendigen Prozeß der Ideenfindung und der Formgebung erspart. Er handelt damit im höchsten Maße unredlich - denn er erntet, was andere gesät haben. 

Wenn wir uns darauf verständigen können, daß auch im industriellen Design Qualität der entscheidende Maßstab ist, dann sind Plagiate auch von diesem Gesichtspunkt her äußerst fragwürdig: denn Plagiate zeigen keinen Respekt vor dem schöpferischen Akt - vor dem, was die Aura eines Kunstwerkes, aber auch den Wert eines gutgestalteten Produktes ausmacht. 

6. April 1995 - Dr. Gerhard Feltl ist Präsident des Österreichischen Institut für Formgebung (ÖIF)