Themen > Design > Land der Hämmer - Zukunftsreich ?

Gerhard Feltl

Die Touristen bleiben aus, die Standortqualität sinkt und der Dissens über die Pensionsreform brachte das Land an den Rand einer veritablen Regierungskrise. Alles nur Schwarzmalerei, oder stimmt etwas nicht mit dem Verkauf des "Produktes Österreich"

Wir behaupten, eine Kulturnation zu sein - liegen aber nur im unteren Drittel der europäischen Nationen, was das Leistungspotential an Kreativität betrifft.  

Gemäß einer Studie, welche dieser Tage vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) publiziert wurde, sind die Anzeichen dieser Leistungsdefizite unter anderem die geringe Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, eine seit 1992 passive Leistungsbilanz, eine Abflachung anfänglicher Erfolge bei den Ostexporten, die geringe Funktionsfähigkeit des heimischen Aktienmarktes sowie die unzureichende Liberalisierung der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft sowie des Telekommunikationssektors. 

Weitere Standortnachteile sind die hohen Produktionskosten sowie eklatante Schwächen im Innovationsbereich: Das Angebot von Forschungseinrichtungen nach internationalen Standard und die Verfügbarkeit von Risikokapital sind gleichfalls in anderen Ländern besser verfügbar als in Österreich. Doch gerade als Hochlohnland müßte Österreich auf Innovation und Bildung setzen, dürfte sich die Standortdebatte nicht auf eine Kostensenkungsdebatte reduzieren. Die neuen Wachstumsbereiche sind vor allem Kulturwirtschaft, Gentechnologie, Multimedia und Umwelttechnik. Mehr als 400.000 neue Arbeitsplätze erwartet sich der deutsche Bildungsminister Jürgen Rüttgers aus diesen Innovationsbereichen bis zur Jahrtausendwende. 

Fazit: Am Erfolgsmodell Österreich müssen maßgebliche Korrekturen vorgenommen werden. Wir beklagen das geringe Eigenkapital der heimischen Betriebe, haben aber gleichzeitig Angst vor ausländischen Investoren. Wir verkünden High-Tech-Programme, haben aber erst knapp 10 % unserer Schulen an das Internet angeschlossen. Und wie sind die diversen Arbeitsplatz-Initiativen der Regierung zu bewerten, wenn ein Unternehmen wie Microsoft alleine für Österreich derzeit 9.000 Netzwerkspezialisten sucht und für das nächste Jahr 19.000 zusätzliche Arbeitsplätze besetzen will? 

Das alles sind nicht Verkaufsprobleme. Vielmehr ist die Produktpalette des "Unternehmens Österreich" in manchen seiner Strukturen veraltet. Die Ursachen dafür liegen wiederum im Fehlen vorausschauender Politik, aber auch in den Beharrungstendenzen des administrativen Apparates, der immer wieder versucht, innovative Lösungen bereits im Keim zu ersticken - wie das Schicksal der Technologiemilliarde  oder des von Peter Wittmann angedachten alternativen Kunstförderungsmodelles deutlich zeigen. 

Nicht die Politik hat ein Problem mit der Zukunft, sie selbst wird zum Problem für unsere Zukunft. Die nachlassende Reformkraft der politischen Institutionen wird immer deutlicher erkennbar. 

Der Versuch, mit Institutionen und Instrumentarien aus dem 19. Jahrhundert die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen zu wollen, muß fehlschlagen. Unser Patronage-System und seine Steuerungsmechanismen des gesellschaftlichen Wandels sind, wie der deutsche Historiker Christian Meier jüngst in einem Spiegel-Interview konstatierte, ein Auslaufmodell. Und untauglich, die Zukunft zu gestalten. 

Was aber füllt dann dieses Machtvakuum? 

Eine mögliche Antwort darauf ist Privatinitiative: In Deutschland entsteht derzeit eine Art "political sponsoring": Siemens Nixdorf  und das Debis-Systemhaus  haben eine Studie erstellt, derzufolge die deutsche Industrie etwa 60 % aller staatlichen Aktivitäten für den Bund übernehmen und bis 30 % kostengünstiger durchführen könnte. Diese Studie wurde der deutschen Bundesregierung kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein anderes Beispiel: Digital Equipment  hat in Karlsruhe einen Pilotversuch mit multimedialen Kiosken gestartet, über die weitgehend alle Verwaltungsvorgänge erledigt, aber auch Produkte gekauft und Dienstleistungen geordert werden können. 

Eine weitere mögliche Antwort heißt Kulturwirtschaft: Wer dieser Tage den Blick auf die iberische Halbinsel richtet, wird feststellen können, daß Spanien und Portugal dabei sind, sich über große Kulturvorhaben zu europäischen Leitbildern zu entwickeln. Durch engagierte Pflege ihres kulturellen Erbes, aber auch durch selbstbewußte Investitionen in die Zukunft (Stichworte: das eben eröffnete Guggenheim-Museum in Bilbao, die angestrebte Positionierung von Barcelona als Design-Hauptstadt Europas, die Expo '98 in Lissabon) können diese beiden Staaten den Erfolg dieser Investitionen in Form von steigenden Tourismuszahlen und enorm gestiegener Standortgunst feststellen. 

Staaten wie Unternehmen unterscheiden sich heute nicht mehr alleine durch ihre Produkte und Dienstleistungen, sondern auch durch ihre Corporate Identity. Diese wichtige Gestaltungsaufgabe wird vom "Unternehmen Österreich" erstaunlich unprofessionell gehandhabt. Armin Thurnher hat erst jüngst im Falter  auf dieses Paradoxon hingewiesen, wonach die Ratlosigkeit bei der Vermarktung unseres Landes mit der zunehmenden Ästhetisierung des Lebens und den sprunghaft gestiegenen Kommunikationsmöglichkeiten nicht gesunken, sondern gestiegen ist. 

Wir leisten uns eine Österreich-Kampagne mit einem Raus/Rein-Slogan, der für eine Bewegungstherapie eher geeignet wäre. Wir präsentieren ein Logo für den EU-Ratsvorsitz, das weder kommunikativ noch ästhetisch überzeugen kann. Und wir haben bis heute nicht wirklich begriffen, daß der Schlüssel für die Positionierung unseres Landes vor allem exportierbare Kreativität  ist - von Filmwerken über zukunftsorientierte Architektur bis hin zum Design, weil damit nicht nur Bilder über unser Land vermittelt, sondern Vorstellungen und Images  über uns geprägt werden können. 

Was ist zu tun? 

Aus klaren wirtschaftlichen Erwägungen heraus hat die britische Regierung unter Tony Blair Kulturförderung explizit auch als Wirtschaftsförderung mit großer Vehemenz auf Design, Architektur und Film ausgerichtet. In Deutschland hat sich eine Initiative "How to promote Germany" gebildet, in der private und staatliche Organisationen ein Marketingkonzept für den Standort Deutschland erarbeiten. In diesem Zusammenhang hat die Bundesrepublik Deutschland auch die "Design-Initiative der deutschen Wirtschaft" gemeinsam mit Industrie- und Handelskammern finanziell ausreichend dotiert und eine weltweite Design-Offensive gestartet. Auch die französische Regierung hat neue Konzepte zur Design-Förderung initiiert. Und die Schweiz macht mit dem von der Wirtschaft massiv unterstützten "Schweizer Design-Preis" und dem "Design-Zentrum Langenthal" Furore.  

Diese Länder haben erkannt, wie wesentlich Design für die Qualifikation von Produktion und Produkten, für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, für die Konsolidierung von Wirtschaftsstandorten und für technische Innovationen, ja insgesamt für die Legitimationsfähigkeit des Wirtschaftens selber sind. 

Um so unverständlicher erscheint es internationalen Beobachtern der österreichischen Entwicklung (wie dem deutschen Design-Vordenker Professor Michael Erlhoff), daß "ausgerechnet Österreich gewissermaßen rückläufig zu handeln beabsichtigen könnte und seinem international renommierten Institut für Formgebung die Aktionsfähigkeit entziehen will". 

Die bevorstehende Übernahme des EU-Ratsvorsitzes durch unser Land wäre eine gute Gelegenheit, die anstehende Modernisierung des Unternehmens Österreich  durch ein umfassendes und langfristig angelegtes Marketingkonzept für das Produkt Österreich  zu ergänzen. Strategisch wäre ein derartiges Konzept darauf auszurichten, österreichische Kreativität und Innovations-Kompetenz zu promoten: Nicht Exportförderung oder Technologie-Milliarden alleine führen zum Erfolg. Die notwendige Neu-Positionierung unseres Landes im europäischen Kontext kann nur dann gelingen, wenn wir die kreativen Fähigkeiten dieses Landes selbst zum Exportfaktor machen. 

03/98 - Dr. Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG-Holding, Vizepräsident der Wiener Festwochen sowie Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg.