Themen > Kommunikation > Artensterben im Medienbiotop

Gerhard Feltl

Erfolgreiche Kommunikation ist mehr als Werbung oder clevere PR-Arbeit. Im Zeitalter weltweiter Telekommunikationsnetze und einer noch nie dagewesenen Medienvielfalt ist Kommunikation zum hochspezialisierten und arbeitsteiligen Prozeß geworden. 

Es war immer schon naiv anzunehmen, daß die medientektonischen Beben mit ihren Kapitalkonzentrationen und strategischen Zusammenschlüssen ausgerechnet Österreich aussparen würden. Was sich hier abspielt, sind vielmehr globale Cross-Over-Strategien, deren kommunikationspolitische Auswirkung auf das heimische "Medienbiotop" (Gerd Bacher) noch gar nicht richtig abgeschätzt werden können. 

Ebenso naiv ist die Vorstellung, man könne diese Entwicklungen mit hausgemachten Regulierungsmaßnahmen domestizieren.  Denn Kommunikationspolitik wird heute nicht mehr über nationalstaatliche Reglementierungen, sondern vorwiegend über Eigentumsverhältnisse gemacht. Überraschend ist das nicht, denn schon Karl Marx schrieb über die "immanente Logik des Kapitals" und dessen Einfluß auf die Politik: Wer über die Medien verfügt, der beeinflußt auch die Politik.  

Medienpolitik war und ist in Österreich freilich immer Anlaßpolitik gewesen. Bestenfalls auf kurze Sicht konzipiert, und immer von parteipolitischen Überlegungen dominiert. Längerfristige oder gar übergreifende Zielvorstellungen spielen dabei keine wahrnehmbare Rolle. Die aktuellen Anlaßfälle (Stichwort: die unsägliche ORF-Diskussion, die skandalöse Anzeigenabgabe, das verpfuschte Privatradio-Gesetz, die ungeklärte Situation für Privatfernsehen und Kabel) sind bekannt.  

Natürlich ist es Aufgabe der Politik, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine international wettbewerbsfähige Medienstruktur zu schaffen und gleichzeitig die wünschenswerte publizistische Vielfalt im Inneren abzusichern.  

Ich bin nicht der Meinung, daß in Österreich ein "medialer Augias-Stall" auszumisten ist, wie dies die Branchenzeitschrift Bestseller fordert. Was ich vermisse, ist jedoch ein Mangel an strategischem Weitblick und an stimmigen politischen Konzepten für Österreichs Medienzukunft. Es verwundert daher nicht, daß in diesem Vakuum wirtschaftliche Eigeninteressen definiert und irreversible Fakten geschaffen werden.

Am konsequentesten agiert dabei (mit einigen Partnern) derzeit die Bank Austria - mit der erkennbaren Absicht, sämtliche Bereiche der Kommunikation (von der Information und Unterhaltung über die Werbung bis hin zur Marktkommunikation und Telekommunikation) strategisch abzudecken.  

Vorstellungen darüber, wie man im Sinne eines notwendigen demokratiepolitischen Ausgleichs eine bürgerliche Kommunikationspolitik konzipiert und auf dieser Seite des politischen Spektrums Synergien zwischen Medien und Kapitaleignern hergestellt werden könnten, sind nicht bekannt. In den "medienpolitischen Weichenstellungen", die von der ÖVP Anfang 1996 präsentiert wurden, wird dieses Thema jedenfalls nicht angesprochen. 

Ich will daher in aller Kürze fünf Thesen für eine bürgerliche Kommunikationspolitik formulieren: 

1.  Kommunikationspolitik muß ganzheitlich sein. Das sektorale Denken (zersplittert in ORF-Politik, Telekommunikations-Politik und in eine fragwürdige Presseförderung) ist überholt. Wir brauchen vielmehr einen Gesamtentwurf auf Basis gesellschaftspolitischer Vorstellungen und wirtschaftlicher Zielsetzungen für eine übergreifende Struktur-, Standort- und Medienpolitik. 

2.  Österreich muß seine Chancen wahrnehmen und zum  regional player in Mitteleuropa werden. Dabei muß die zu entwickelnde Kommunikationspolitik der Regierung die Rahmenbedingungen für international konkurrenzfähige österreichische Medienprodukte schaffen. Die öffentlichen Subventionsmittel sind vorrangig für diese Zielsetzung zu verwenden. 

3.  Diese Kommunikationspolitik muß eine Balance zwischen Marktdominanz nach innen und wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit nach außen herstellen. Der demokratiepolitisch notwendige Ausgleich zwischen Gewinnstreben und Medienvielfalt kann dabei nicht über eine Reglementierung der Eigentumsverhältnisse, sondern nur über die Durchsetzung publizistischer Qualitätsstandards erreicht werden. 

4.  Was wir in diesem Zusammenhang dringend benötigen, ist mehr Markt und mehr Wettbewerb in allen Bereichen. Offensive Marktstrategien, das Herstellen von "kritischer Masse" und von Synergien ist erforderlich.

5.  Das duale Mediensystem (mit einander ergänzenden öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privatwirtschaftlichen Printmedien) hat ausgedient. Das öffentlich-rechtliche Prinzip muß neu überdacht, der Kulturauftrag des Rundfunks muß neu definiert werden. 

Diese Überlegungen sollen verdeutlichen, daß die rasante Umgestaltung der Medienlandschaft entscheidende gesellschaftspolitische Veränderungen provoziert. Soll es in Zukunft noch österreichische Medien geben, dann besteht akuter politischer Handlungsbedarf.   
Die Presse, 24. August 1996 - Dr. Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG, Präsident des Österreichischen Instituts für Formgebung (ÖIF) sowie Lehrbeauftragter am Publizistik-Institut der Universität Salzburg.