Themen > Kommunikation > Anmerkungen zur Kommunikationslandschaft der Zukunft

Gerhard Feltl

Die Erkenntnis, daß wir in einem Zeitalter rascher und signifikanter Änderungen leben, trifft im besonderem Maße auf die Kommunikations- und Medienentwicklung zu. Dabei sind nicht nur die Veränderungen innerhalb dieses Sektors von Bedeutung. Der gesellschaftliche Stellenwert der Kommunikation insgesamt ist fundamentalen Veränderungen unterworfen.

Die Kommunikationsindustrie ist freilich nicht nur eine dynamische Wachstumsbranche, sondern auch Freizeitfaktor und Sinnproduzent. Wir leben in einer vielfach durch die Medien geprägten Umwelt, in der inszenierte Erfahrungen aus zweiter Hand in Politik, Wirtschaft und Kultur, aber auch für das Alltagsleben eine bestimmende Rolle spielen.

 1. Medienlandschaft im Wandel.

 Analog dazu ist auch das Nutzungsverhalten der Medien einem Wandel unterworfen. Die klassische Funktion der Medien (Information, Meinungsbildung und Unterhaltung) wird durch andere sekundäre Funktionen überlagert: Zeitvertreib, Bestätigung von Lebensstilen, Aufbau von Images. Das führt zu Veränderungen in den Motivationslagen der Rezipienten: Medien werden nicht mehr alleine wegen ihrer Inhalte, sondern zunehmend auch "um ihrer selbst Willen" konsumiert. 

Der Umgang mit Medien ist zur Alltagserfahrung geworden. Unterschiede zwischen Generationen und Kulturen werden durch die Medien vermischt und homogenisiert. Grenzüberschreitende Bedeutungsstrukturen und Lebensstile werden geschaffen.

Die vielzitierte "Mündigkeit des Konsumenten" ist vor diesem Hintergrund auch anders zu lesen: nämlich als Prozeß des Lernens verschiedener alternativer Konsumstile, welche über die Informationsbeschaffung hinaus synchron und gleichwertig eingesetzt werden können. So schließt etwa das Bedürfnis nach qualitativ anspruchsvoller Information über Politik eine Suche nach Trivialkultur nicht aus, sondern kann durchaus als sinnvolle Ergänzung verstanden werden.

Als Folge davon werden die klassischen Medien Print, Rundfunk und Plakat zunehmend "crossover", d.h. sektoral und segmentiert genutzt. Wechselseitige Interdependenzen zwischen Printmedien und audiovisuellen Angeboten finden Ihre Entsprechung in adäquaten Nutzungsvarianten. Exklusive Bindungen von Menschen an ein bestimmtes Medium, auch an das Fernsehen, verlieren zunehmend an Bedeutung.

 Diese Entwicklung macht eine Neudefinition des Begriffes Massenmedium notwendig. Medien erreichen zwar weiterhin Massen, aber die von ihnen transportierten Botschaften kommen nicht mehr uneingeschränkt "ans Ziel". Die Menschen werden zwar "flächendeckend" von den Medien erreicht, sie rezipieren aber aus diesen Medien nicht mehr gleichartige, sondern unterschiedliche Inhalte.
Das gleichzeitige Herausbilden von unterschiedlichen Konsumstilen erklärt ein Paradoxon der Kommunikationswirkung: den von Experten oft beklagten Verlust der Medienwirksamkeit im Primärbereich bei gleichzeitigem Anstieg der Medienmacht im Sekundärbereich

Mit anderen Worten: Medien bestätigen Lebensstile. Die Bedeutung der von den Medien reflektierten und vermittelten Alltagserfahrung und die Vorbildwirkung der entsprechenden Inhalte nimmt zu. Durch den inszenatorischen Charakter ihrer Vermittlung verlieren die Medien jedoch gleichzeitig als meinungsbildende Instanz im politischen Bereich an Bedeutung.

Ein einleuchtendes Beispiel dafür ist die zunehmende Wirkungslosigkeit vieler politischer Kampagnen: diese verfehlen ihr Ziel nicht aufgrund inhaltlicher Argumentationsschwächen, sondern weil sie durch die spezifische Art der medialen Aufbereitung "unecht" und nicht authentisch wirken - und aus diesem Grund auch nicht mehr geglaubt werden.

 2. Die Ambivalenz der Kommunikation.

 Menschen konsumieren Medien in unterschiedlichen Zusammenhängen mit unterschiedlichen, teilweise sogar widersprüchlichen Nutzungs-Strategien. Der Anspruch nach Qualität und das "Couch-Potato"-Bedürfnis sind durchaus vereinbar. Beides sind Element entsprechend gelernter und variabel einsetzbarer Verhaltensmuster zur Befriedigung spezifischer Kommunikationsbedürfnisse.

 Damit beginnt die Unterscheidung zwischen der Nutzung von Trivialmedien und Qualitätsmedien obsolet zu werden.

 Der Schriftsteller Christoph Hein hat das Lesen als Anachronismus bezeichnet. Lesen führe zur Herausbildung einer einzigen Identität, während das Funktionieren der heutigen Gesellschaft nach (manipulierbaren) Mehrfach-Identitäten verlange.

 Das durch die Kommunikationsexplosion geförderte "sowohl als auch" ist für die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung typisch. Aktuelle Beispiele aus Politik und Kultur zeigen die Janusköpfigkeit der Kommunikation, ihre Bedeutung sowohl als Mittel der Konfliktverschärfung wie auch als Mittel der Konfliktbewältigung. Als Instrument der Nivellierung, aber auch der Sichtbarmachung von politischen oder kulturellen Unterschieden.

 Diese Entwicklung wird auch in Zukunft von technischen Innovationen gesteuert werden. Die veränderten Konsumgewohnheiten werden bei der Realisierung neuer Angebote jedoch eine weitaus wichtigere Rolle spielen als bisher. Offensichtliche Fehlleistungen der Vergangenheit (etwa die Parallelentwicklung unterschiedlicher Video-Systeme oder das Scheitern der österreichischen BTX-Variante) zeigen, daß sich Marktakzeptanz nicht beliebig steuern läßt.

 Nicht zuletzt aus Kostengründen wird die Kommunikationsindustrie nur jene Anwendungen marktreif machen, für die tatsächlich Bedarf besteht bzw. rasch geweckt werden kann. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung von regionalen Feldversuchen und Testmärkten, aber auch einer konsumentenorientierten Marktforschung zunehmen.

 Die Umwälzungen werden auch direkt sichtbar - im globalem Trend der Verdichtung und Vernetzung bestehender Kommunikationssysteme. Mit traditioneller Verspätung wird jetzt auch hierzulande der "elektronische Superhighway" zum Thema, als Vernetzung von Computer, Telefon, Fernsehen und der Technik der Nachrichtenübertragung.

Da eine an langfristigen Zielen ausgerichtete Kommunikationspolitik fehlt, wird diese Diskussion freilich nur sporadisch und oberflächlich geführt. Weder in der Diskussion um das Eindringen ausländischen Kapitals in den Printbereich, noch in der Debatte um die zögerliche Privatisierung von Radio und Fernsehen haben die skizzierten Überlegungen argumentativ eine Rolle gespielt. Es geht vielmehr ausschließlich um Machtfragen, allenfalls um die Organisation von demokratischer bzw. demokratisch legitimierter Kontrolle. 

Auch die von der Politik lapidar hingenommene Stagnation der heimischen Filmwirtschaft und der Verfall des Buchwesens sind die äußeren Anzeichen einer tiefgreifenden Umwälzung im Kommunikationsbereich. 

Bedauerlicherweise hat auch die jüngste Regierungserklärung die für die Zukunftssicherung unseres Landes notwendigen Maßnahmen und Perspektiven von Kulturwirtschaft und Design  nicht angesprochen. Außer einigen Pflichtbekenntnissen zur Teilnahme Österreichs an der globalen Telekommunikationsentwicklung und zur weiteren Privatisierung des Rundfunksystems ist in diesem Dokument nichts enthalten, was als aktive Strategie zur Bewältigung der anstehenden Zukunftsfragen bezeichnet werden könnte. 

3. Konsequenzen für die Werbewirtschaft 

Die Werbewirtschaft als bedeutender Teil der Kommunikationsindustrie ist von dieser Entwicklung voll erfaßt. Die Kommunikationsgesellschaft ist dabei, der Werbung einen Paradigmen-Wechsel aufzuzwingen. Dieser manifestiert sich zunächst im Etablieren eines neuen raison d'etre: Werbebotschaften sind nicht allein Mittel zur Gewinnerzielung, sondern dienen zunehmend der Schaffung von Kommunikation "um ihrer selbst Willen".

 Werbetheoretiker wie etwa Klaus Leggewie sehen darin eine "Annäherung der Werbung an die soziale Realität", in der sich Kampagnen zunehmend "fremder" Codes und Diskursformen bedienen und sich sogar "moralische Kompetenz anmaßen".

 Illustrative Beispiele dafür sind einmal mehr die Benetton-Werbung mit ihren gezielten Schock-Effekten. Aber auch die Verwendung politischer Symbole (rot-weiß-rotes Fahnentuch) und Slogans wie "für ein sauberes Österreich" in der Kampagne des Waschmaschinenherstellers Eudora, oder der Einsatz von Politiker-Porträts in der Schwechater-Werbung belegen diese Entwicklung. 

Werbung ist dabei, sich als metasektorale Struktur zu etablieren, welche sich horizontal zu den vertikal organisierten gesellschaftlichen Subsystemen entfaltet. Sie verbindet Formen und Inhalte der bisher relativ autonomen sozialen Teilbereiche von Politik, Wirtschaft, Kultur und diversen Gemeinschaftseinrichtungen, indem sie deren Ziele kommunikativ austauscht.

Die erwähnten Beispiele Benetton und Eudora sind gute Belege für dieses Überschreiten der Zunftgrenzen: "Trendsetter wie die Benetton-Werbung vermengen als fröhliche Tabubrecher Marketing und Public Relations, ästhetische Avantgarde und politische Kampagne. Sie verwenden die Charity-Campaigns individualisierter Dienstleistungsgesellschaften. Und sie greifen die Tendenz auf, zugunsten verletzter Menschenrechte humanitäre Interventionen in aller Welt zuzulassen" (Klaus Leggewie). 

Dieser von der Werbung getragene "grenzüberschreitende" Diskurs führt zu Kommerzialisierung von Politik und Kultur bzw. zur Politisierung der Wirtschaft und zu Bestrebungen, gemeinschaftliche Ziele mit Mitteln der kommerziellen Produktwerbung durchzusetzen. 

Werbung übernimmt solcherart die Aufgabe der permanenten Inszenierung des "Zeitgespräches der Gesellschaft" und damit die inhaltliche Definition der Mediengesellschaft selbst. Sie etabliert sich damit als eigentliches (und vielleicht einziges) Massenmedium der postmodernen Zivilisation. 

Werbung verbreitet einheitliche, nur zielgruppenspezifisch aufbereitete Botschaften unter Nutzung multimedialer Strukturen und ist - im Gegensatz zum einzelnen Medium - grundsätzlich weiter darauf angelegt, eine Vielzahl von Rezipienten zu erreichen. 

Die Herausforderung dabei ist die zunehmende Emanzipation des Verbrauchers. Vielfach untersuchte und wissenschaftlich belegte Phänomene wie Werbeverdrossenheit oder Gewöhnungseffekte haben zu einer "gelernten Unglaubwürdigkeit" der Werbung insgesamt geführt, deren Auswirkungen jedoch widersprüchlich sind. Werbeinhalte werden rezipiert und wahrgenommen und als Alltagsphänomen akzeptiert - obwohl ihre Botschaften oft nicht geglaubt werden. Indem der fiktionale Charakter von Werbung verstärkt wird, entfaltet sie ihre bewußtseinsbildende Kraft auf der Meta-Ebene der Kommunikation. 

Der Trendforscher Matthias Horx hat auf die wachsende Bedeutung einer "gelernten Medienkompetenz" hingewiesen: vordergründige Kaufappelle werden ignoriert. Werbung wird als Wegweiser durch die vernetzten Strukturen der modernen Wirtschaftswelt genutzt, in der moralische, politische oder gesellschaftspolitische Anliegen in Zukunft auch für den ökonomischen Erfolg entscheidend sein werden. 

Ein exemplarisches Beispiel dafür ist das Körperpflege-Unternehmen "Body-Shop" der Engländerin Anita Roddick, das mit einem ökologisch-ethischen Konzept enorme Umsatzsteigerungen verzeichnen konnte, ohne dabei wesentlich in klassische Werbung zu investieren. ("Body-Shop" macht heute in rund eintausend Geschäften in 45 Ländern jährlich etwa zehn Milliarden Schilling Umsatz). 

4. Das Plakat als Medium des umfassenden Augenblickes

Der Funktionswandel wirkt sich auf die verschiedenen Medien unterschiedlich aus. Ganz im Sinne von Neil Postman wird in Zukunft - insbesondere beim Fernsehen - der Entertainment-Charakter noch stärker betont werden.
In Print und Rundfunk werden als Folge davon die Grenzen zwischen redaktioneller Berichterstattung und Werbung vermischt. Im Fernsehen wird diese Tendenz durch Programm-Sponsoring, Product-Placement und Service-Angebote wie Teleshopping verstärkt sichtbar werden. Im Printbereich haben Medien wie "News" diesen Unterschied bereits aufgehoben, indem die redaktionelle Arbeit denselben Kriterien wie die Produktion von Anzeigenseiten folgt. 

Durch den Austausch von Kompetenz und Prominenz als Nachrichtenkriterien und durch die Betonung von Entertainment wird Medienkonsum in Zukunft durch hohe Akzeptanz bei gleichzeitig geringer meinungsbildender und meinungsverändernder Wirkung gekennzeichnet sein.  

Mainstrain-Medien wie "News" oder "Täglich Alles", aber auch die ausschließlich auf Massenaktivität konzipierten Fernsehprogramme stehen bereits heute für die lediglich einstellungsverstärkende und bestätigende Funktion von Kommunikation.

In diesem Zusammenhang sei durchaus kritisch angemerkt, daß diese zukunftsrelevante Dimension der Werbung in der jüngsten Kampagne "Werbung für die Werbung" überhaupt nicht thematisiert wurde. Es ist bedauerlich, daß auch in dieser Kampagne die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Stellenwert Werbung zugunsten kurzatmiger Werbe-Statements vermieden wurde. 

Das Medium Plakat wurde bislang von diesem Funktionswandel nicht erfaßt. Die Gründe dafür sind vielschichtig und hängen mit den spezifischen Wesensmerkmalen dieses Mediums zusammen:

·   Die Plakat-Wahrnehmung erfolgt kollektiv, alle Bürger können dieselbe Botschaft empfangen. Damit ist das Plakat das "demokratischeste" aller Medien. 

·   Plakate sind als Element des Stadt- oder Landschaftsbildes permanent präsent, das gilt im besonderen Maße für City Light. Die Wahrnehmung erfolgt wiederholt, oft sogar unbewußt, tatsächlich "im Vorübergehen" - ohne daß das Plakat überblättert oder abgeschalten werden kann. 

·   Die Wahrnehmung der Plakat-Botschaft wird nicht von Informationsbedürfnissen gesteuert (wie sie für die Rezeption der klassischen Medien Print, Radio und Fernsehen typisch sind), setzt keinen Kaufakt und auch keine Programmentscheidung voraus. Die Zuwendung zum "schnellen Medium Plakat" ist stets augenblicklich und umfassend. 

·   Plakate bieten zwar wechselnde Botschaften - aber immer an denselben Stellen und im gleichen urbanen Kontext. Als Teil des Stadtbildes definieren sie diesen Kontext und sind damit auch wesentliches Element der Stadtkultur - als "Tagebücher der Straße" und als Chronik öffentlicher Mitteilungen.

·   Plakate sind somit Werbung pur. Die jeweilige Werbebotschaft ist in kein redaktionelles Umfeld eingebettet. Das Medium Plakat zwingt zur Reduktion, zur Konzentration auf das wesentliche, zur klaren Formulierung. Am Plakat ist kein Platz für Überflüssiges. Dadurch ist die Plakat-Gestaltung immer auch eine besondere Herausforderung für die Kreativen. 

Kein anderes Medium hat die künstlerische Werbegraphik so stark inspiriert wie das Plakat: Jiri Mucha, Raymond Savignac, Joseph Binder oder Walter Hofmann stehen für innovative Entwicklungen. Aber auch Künstler wie Oskar Kokoschka, Henri de Toulouse-Lautrec, George Grosz oder Andy Warhol haben intensiv mit dem Medium Plakat gearbeitet und hervorragende kommerzielle Kampagnen entworfen. In Erinnerung an diese Tradition wird in Österreich seit 1994 auch der "Gustav-Klimt-Preis für Plakatkunst" vergeben. 

Wie kein anderes Medium ist das Plakat auch geeignet, die Tonalität einer Werbekampagne vorzugeben. Durch seinen nicht-journalistischen Charakter wird das Plakat von der zunehmenden Fragmentarisierung der Mediennutzung weitgehend verschont bleiben. Aktuelle Studien besagen etwa, daß bis zum Jahr 2000 die Zahl der privaten TV-Kanäle etwa 500 betragen wird und das entsprechende Programmangebot über zentrale Datenbanken individuell an- und ausgewählt werden kann.  

Es ist empirisch vielfach belegte Tatsache, daß der Zeitaufwand für Medienkonsum trotz des laufend vermehrten Angebotes nicht zunimmt. Für die breitstreuenden klassischen Medien Tageszeitung und Fernsehen bedeutet dies à la longue einen Rückgang der Kontaktchancen der einzelnen Werbebotschaft im TV-Spot oder Inserat - trotz oder gerade bei steigenden Reichweiten der einzelnen Titel oder Programme. 

5. Das Plakat als Leitmedium der Kommunikationsgesellschaft. 

Begreift man den Begriff "Massenmedium" inhaltlich (und nicht nur im Sinn eines technischen Verbreitungsmittels), dann erfüllt das Plakat alle Voraussetzungen, sich als das Massenmedium der Kommunikationsgesellschaft  zu etablieren. Dies gilt nicht nur für die Wirtschaftswerbung. Auch für die politische Werbung ist das Plakat unverzichtbar. Vor allem die Fähigkeit des Plakates, schnell und flächendeckend Präsenz zu erzeugen und damit Bekanntheit zu schaffen, spielt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Da mit einer Öffnung des (öffentlich-rechtlich organisierten) Fernsehens für politische Werbung in naher Zukunft nicht zu rechnen ist, kommt diesem Plakat-Vorteil noch größere Bedeutung zu. 

Aber auch für Kunstsponsoring und für die Promotion kultureller Veranstaltungen erlangt das Plakat zunehmend Bedeutung. Der "Ankünder-Kunstzaun" in Innsbruck, Aktionen wie das "Museum in progress" oder die Promotion-Aktionen der Wiener Festwochen sind dafür signifikante Beispiele. 

Das Plakat ist auch in Österreich vor allem ein Stadt-Medium, trotz der hierzulande vergleichsweise starken Verbreitung in ländlichen Regionen. Es bietet nicht nur optische, sondern auch kommunikative Fixpunkte und Orientierungshilfen in der "neuen Unübersichtlichkeit" unserer Zivilisation. Im Plakat fließen politische und wirtschaftliche Interessen, ästhetische Trends und Geschmacksrichtungen in ihrer Vielfalt und Komplexität zusammen und werden so kollektiv erfahrbar.

Diese Fähigkeit des Herstellens eines "kollektiven Erfahrungshorizont" ist es auch, die das Wesen des Plakates als Medium ausmacht. Denn Medienwirkung (und damit auch die Effizienz von Werbung) setzt nicht nur den Kontakt möglichst vieler Individuen mit der jeweiligen Werbebotschaft voraus, sondern auch die Gleichzeitigkeit der Erfahrung. Die Medien Rundfunk und Print verlieren diese Voraussetzung in zunehmendem Maße, parallel mit dem Fortschreiten der Individualisierung und Segmentation ihrer Nutzung. 

Für die Wirksamkeit des Plakates sind zwei soziale Faktoren konstitutiv: Urbanität und Öffentlichkeit. Beide Faktoren scheinen durch soziologische und technologische Trends gefährdet, wie sie etwa in Richard Sennetts klassischer Studie "The Fall of Public Man" beschrieben sind. Die Stadt als "Brennpunkt aktiven gesellschaftlichen Lebens, als Austragungsort von Interessenskonflikten und Interessensausgleich und als Schauplatz der Entfaltung menschlicher Fähigkeiten und Möglichkeiten" ist gefährdet. In manchen Bereichen ist eine Tendenz zum "Cocooning", zur Abkoppelung der Privatsphäre vom öffentlichen Leben festzustellen. 

Verstärkt wird diese Tendenz durch neue technische Möglichkeiten, durch die Verfeinerung der individuellen Kommunikation und durch Herausbildung von Formen der Heimarbeit. Teleworking und Teleshopping, aber auch alle Formen der interaktiven Nutzung der elektronischen Netze verringern letztlich die Mobilität. 

Selbst wenn man Sennetts kulturpessimistischer These vom "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens" nicht zustimmt, lassen sich Spuren davon auch in der österreichischen Wirklichkeit nicht übersehen. Zweifellos würde eine geringere Mobilität städtischer Gruppen auch Auswirkungen auf die Werbestrategien der Wirtschaft und damit auch auf die Werbemedien selbst haben müssen. 

Die Plakatwirtschaft begegnet dieser Entwicklung durch Perfektionierung ihrer Angebote und durch technische Innovationen, die zur Optimierung des Mediums beitragen: Der Ausbau der Plakatwerbung mit dem urbanen Zukunftsmedium City Light; neue Plakatformate, interaktive Plakate und Mega-Lights; der Einsatz von Tafelbewertungskriterien nach internationalem Standard sowie strategische Desinvestitionen und professionelle Marktforschung sind jene Instrumentarien, mit denen sich ein Unternehmen wie der "Ankünder" als kommunaler Kommunikationsdienstleister  profiliert. 

01/98 - Dr. Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG-Holding, Präsident des Österreichischen Instituts für Formgebung (ÖIF), Vizepräsident der Wiener Festwochen sowie Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg.