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Gerhard Feltl

Was bringt das neue Werbezeitalter und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die werbetreibende Wirtschaft? Die Antwort soll in Form von 20 Thesen gegeben werden:

1.      Öko-Marketing verliert an Bedeutung. 

         In den umweltbewußten Achtziger Jahren mußte alles "grün" sein. Auch Marketing war davon nicht ausgespart. Nach Meinung der Werbeexperten war das neugefundene Umweltbewußtsein seitens der Konsumenten mehr als eine neue Mode. Es war ein Trend, gekennzeichnet durch die Forderung nach Umweltverträglichkeit der Produkte und die Präferenz für umweltfreundliche, wiederverwertbare Produkte und Verpackungen. Einige Konsumenten waren sogar bereit, dafür mehr zu bezahlen. 

         Dann aber kam die Wende: Die rezessionsgeplagten Neunziger brachten einen Rückschlag für Umwelt-Marketing. Firmen wie Procter & Gamble, Coca Cola und andere verringerten sukzessive ihre ökologisch ausgerichteten Positionierung. Damit wurde nicht zuletzt der zunehmenden Skepsis der Konsumenten Rechnung getragen. Denn am Point of Sale hatten sie erkannt, daß in einer harten Wettbewerbssituation das Umweltbewußtsein eine untergeordnete Rolle spielt und sich die Sorge um die Umwelt leichter auf ein Lippenbekenntnis reduziert. So bekannte ein einstmals "grüner" Firmenmanager: "Das Problem besteht darin, Konzernleitungen beizubringen, daß ökologische Marktwirtschaft langfristig durchaus das Unternehmensergebnis verbessern kann. Entscheidend aber ist das kurzfristige Ergebnis - wenn die Quartalsergebnisse nicht stimmen, dann heißt es: forget it". 

         Die Schlußfolgerung für die absehbare Zukunft lautet daher: Preisvorteile schaffen, klassischen Verkauf, Werbung und Promotion intensivieren. Altruistische Überlegungen muß man für bessere Zeiten aufheben.

2.   Konkurrenzdruck verbessert die Qualität der Werbung. 

         Die vorgegaukelte Werbe-Spontanität, dieses Über-Drüber-Feeling, das marktschreierische Einbeziehen des Publikums - all das ist nervtötend und überdeckt bisweilen nur mangelnde Produktqualität. 

         Letztendlich hat nur Professionalität eine Chance - auch in der Werbewelt. Eine der führenden Agenturen im "Infomercial Business" setzt übrigens darauf, eigene "kreative Absatzkanäle" zu schaffen. Die Firma Revlon besitzt mittlerweile ein Drittel der Guthy-Renker-Gesellschaft, einer der führenden Werbeagenturen in den USA, und produziert bereits selbst Werbesendungen für die eigenen Revlon-Produkte.  

         In Zukunft werden Agenturen und Medienunternehmen vermehrt selbst "Werbekanäle" betreiben, die mit ihren Programmen möglicherweise die herkömmlichen TV-Kanäle an Erfolg übertreffen werden. Die Wirtschaft, besonders im Bereich von Direkt-Marketing, sollte sich die Wirksamkeit dieser Werbeformen bewußt machen und "Infomercials" als Vorboten einer neuen Kommunikationsbranche betrachten - sowie als interessante Möglichkeit für neue Kreativkarrieren. 

3.   Teleshopping verändert die Einkaufsgewohnheiten. 

         Dank CD-Rom-Technik und interaktivem Fernsehen beginnt Teleshopping tatsächlich zu boomen. Der "elektronische Einzelhandel" wird sich in den USA in den kommenden zehn Jahren zu einer 250-Milliarden-Dollar Industrie entwickeln. Derzeit wird der elektronische Einzelhandel durch Barry Dillers QUVZ-Fernsehnetz sowie durch das Home-Shopping-Network dominiert. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Das Joint-Venture zwischen Time Warner und Spiegel wird schon bald zwei interaktive kabelbetriebene Teleshopping-Kanäle anbieten. Eines davon soll als "Video-Einkaufszentrum" in Orlando/Florida starten. Und Geschäfte wie Macy's, Nordstrom, Saks, 5th Avenue und Sharper Image entwickeln derzeit eigene Home-Shopping-Sendungen bzw. eigene Fernsehkanäle. 

         Eine der am schnellsten wachsenden Firmen, die Verkauf via Bildschirm anbietet, ist CUC International Shopper's Advantage. CUC bietet online 250.000 Markenprodukte an, die via American Online, CompuServe und andere Netze erworben werden. Dazu Walter Forbes: "Wenn diese neuen interaktiven Verkaufssysteme anderen Firmen fünf oder zehn Prozent Umsatz wegnehmen, übertreffen sie schon die Handelsspanne der meisten Geschäfte. In einer verkabelten Welt mit 85.000 Millionen interaktiven Haushalten hat sich die Verkaufsumgebung völlig verändert". 

         Voraussetzung für den Einstieg in den Teleshopping-Markt sind die Evaluierung dieses Vertriebskanals für die jeweiligen Produkte, die Auswirkungen der Durchführungs- und Verteilungskosten sowie die Gewichtung dieses Marketingkanals im Rahmen des Gesamtverkaufes. 

4.   Sportwagen revolutionieren den Automarkt. 

         Das Konzept der großräumigen Familienlimousine ist in den USA überholt und wurde durch den Kleinbus ("Minivan") sowie durch vierradgetriebene Geländeautos (wie Ford Explorer, Chevy Blazer, Izuzu Trooper, Jeep Cherokee und Mitsubishi Montero) ersetzt, die die Illusion des großen Abenteuers geben.

          Die Übernahme der englischen Rover-Gruppe durch BMW sowie die Pläne von Mercedes, einen völlig neugestalteten 60.000-Dollar-teuren Allradwagen in Vance/Alabama zu produzieren, sind Beispiele für diese Liaison von Komfort und Macho-Stil, der eine neue Auto-Ära zunächst in den USA und später wohl auch in Europa repräsentieren wird.  

         Produzenten wie General Motors investieren mittlerweile bereits Dollar-Beträge in Millionenhöhe, um Fabrikstandorte, an denen ursprünglich familienfreundliche Kleinbusse hergestellt wurden, in Produktionsstätten für sportliche Allradautos umzuwandeln. Und Firmen wie Chrysler führen derzeit gerade Sonder-Arbeitsschichten ein, um die Nachfrage nach dem Grand Cherokee befriedigen zu können. Für das Auto-Marketing bedeutet dieser Trend ein völliges Umdenken: "Luxus"-Image reicht nicht mehr aus. Das Auto der Zukunft muß zwischen den Attributen Safari und Super-Performance positioniert werden. Diese Konzeption des Abenteuer- und Leistungsdenkens wird auch in zahlreiche andere Produktsegmente Einzug halten. 

5.   Interaktive Medien schaffen neue Kommunikationsangebote. 

         CD-ROM-Versionen von Zeitschriften (wie Newsweek oder Popular Science) sind für viele Leser durchaus attraktiv - in Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch lediglich um "Zusatzprodukte". In absehbarer Zukunft bleiben Zeitungen und Zeitschriften die vorrangige Informations- und Unterhaltungsquelle, die sie immer schon waren. Dennoch sind sie der Nukleus für künftige kreative Kommunikationsangebote. 

6.      Die virtuelle Agentur gestaltet den Arbeitsplatz der Zukunft. 

         Die virtuelle Agentur ist kein Modeschlagwort, sie existiert bereits. Nach dem Erdbeben von Los Angeles hat die Agentur Chiat&Day in Venice/Kalifornien das Konzept der virtuellen Büroorganisation radikal umgesetzt - mit Betonung auf Arbeit, nicht auf Anwesenheit der Mitarbeiter. Büroarbeitsplätze sind Vergangenheit - an ihre Stelle ist die dislozierte Kommunikation über Kupfer-, Koaxial- und Glasfaserkabel getreten. Diese Idee der virtuellen Betriebsorganisation wird sich rasch verbreiten. Und jede Agentur tut gut daran, sich zeitgerecht mit der neuen Technologie vertraut zu machen. 

7.   Multikulturelle Vielfalt stimuliert das Produktangebot. 

         "Ethnisches Marketing" hat den Zenit  bereits überschritten. Insbesondere die amerikanische Bevölkerung wird demographisch vielfältiger. Daher werden die Produzenten gezwungen, auf multikulturelle Anliegen und Präferenzen einzugehen. Ein Beispiel dafür ist "Salsa Style Ketchup" von H.J. Heinz: Es ist nicht Salsa, es ist nicht Ketchup, sondern die hispanische Version eines ganz bestimmten amerikanischen Gewürzes - gewissermaßen das ethnische Mischprodukt eines der traditionsreichsten amerikanischen Lebensmittelhersteller.  

         Für Marketingexperten bedeutet diese "Ethnisierung" traditioneller Produkte eine kreative Herausforderung. Soll das Produkt nur gegenüber einer bestimmten ethnischen Zielgruppe vermarktet werden, oder positioniert man das Produkt als "line extension", um die Markenloyalität der ursprünglichen Konsumenten in einen völlig neuen Produktbereich hinüberzuführen? Oder versucht man beide Ziele zu erreichen? 

         Die Entscheidung ist natürlich abhängig vom Produkt. Vielleicht mag man Miso-Suppen in Peoria, vielleicht auch nicht. Eines aber ist klar: Die selbstbewußt werdenden hispanischen, asiatischen, afro-amerikanischen und anderen ethnischen Gruppen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft und deren wachsender Einfluß werden immer mehr Produzenten dazu bringen, Produkte zu schaffen, die den Geschmack und die Gewohnheiten dieser Konsumenten ansprechen. Das Ergebnis wird eine größere Produktvielfalt sein, wobei es vor allem in den Bereichen Entwicklung neuer Produkte und ihrer Direct-Mail-Promotion notwendig sein wird, die Produkte und Produkt-Informationen derart zu modifizieren, daß damit wichtige neue Konsumenten-Zielgruppen angesprochen werden können. 

8.      Die "interaktive" Olympiade 1996 

         Der Mega-Sponsor NBC wird eine Vielzahl von Möglichkeiten anbieten, die olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta zum ersten interaktiven Mega-Werbe-Event in der Geschichte zu machen. TV-Konsumenten können über die Programme "NBC-Viewer-Service" oder "NBC-Online" Informationen über die beworbenen Produkte abfragen, wenn sie eine am Bildschirm eingeblendete gebührenfreie Telefonnummer anrufen. Darüber hinaus verbindet NBC online mit verschiedenen Servicediensten wie CompuServe oder Prodigy. Primäre Ansprechpartner sind dafür Autoproduzenten, Elektronikhersteller bzw. Dienstleistungsgesellschaften. 

         Eine erfolgreiche "interaktive" Olympiade '96 könnte den Weg ebnen für zahlreiche weitere interaktive Großveranstaltungen im Sport- und Unterhaltungsbereich und würde den Einsatz interaktiver elektronischer Marketingformen dramatisch beschleunigen. 

9.   Kulinarik und Fast Food schließen einander nicht aus.

         Obwohl die Bezeichnung "Fast-Food Gourmet-Kaffee" wie ein Widerspruch klingt, signalisiert diese Terminologie einen neuen Trend. Der hohe Anspruch der Amerikaner bei Kaffee (und ihre besondere Wertschätzung der verschiedenen Varianten und Zubereitungsmethoden) nimmt rapide zu; ebenso aber nimmt die Präferenz für "einfache" Speisen zu. So war es nicht weiter überraschend, daß beide Trends kombiniert werden: In vielen Teilen des Landes bekommt man einen guten Espresso im Texaco-Tankstellenshop, einen Capuccino bei McDonald's.  Und BP-Tankstellen offerieren einen Mokka oder einen Café Latte. 

         Der Verkauf besonderer Kaffeesorten verdoppelte sich zwischen 1979 und 1989 auf 1,5 Milliarden US-Dollar. Bis Ende 1990 sollen sich die Verkaufserlöse nochmals verdoppeln. Diese Kaffee-Revolution in Amerika ist zu einem Gutteil Starbucks zuzuschreiben, einem Unternehmen in Seattle, das eine landesweite Kette innovativer Gourmet-Kaffeegeschäfte etabliert hat.
Aufgrund des Erfolges haben Starbucks und die New Yorker Firma Chock Full O'Nuts Plane angekündigt, weitere Geschäfte im Osten der USA zu eröffnen, während der Konzern Southland Corp.'s 7-Eleven in 50 Filialen seiner Supermarkt-Kette die Kaffeesorte "Kaffee Select" testet, die 18 verschiedene Geschmacksrichtungen enthält. 

         Die Lektion lautet: Ein vermeintlicher Konsum-Widerspruch ist sorgfältig zu analysieren, bevor neue Produkt- und Marketing-Strategien entwickelt werden. Denn Konsumverhalten bleibt nicht konstant, sondern verändert sich und kann neue Synergien ergeben.  

10.    IBM behauptet sich im interaktiven Media-Boom. 

         Das Multimedia-Engagement von IBM (vor einigen Jahren als "Ultimedia" angekündigt) beginnt sich allmählich durchzusetzen. Mit dem Markennamen "Ultimedia" war geplant, sämtliche IBM-Produktreihen mit Multimedia-Fähigkeit auszustatten. Seit dieser Ankündigung haben jedoch AT&T, Time Warner, Bell Atlantic und TeleCommunications Inc. die IBM in diesem Bereich überholt. IBM könnte seinen Führungsanspruch jedoch zurückerobern - durch die vorhandenen Technologien im Business-, Konsum- und Bildungsbereich, die im aufkommenden interaktiven TV-Markt von großer Bedeutung sind. Und durch die Beteiligung an Prodigy, wobei CD-ROM-Titel produziert und Angebote im "interaktiven" Marketing-Kiosk angeboten werden. 

         Die Erkenntnis aus dieser Entwicklung: Eine aggressive, maßgeschneiderte Marketingstrategie läßt sich werblich gut präsentieren. Wichtiger jedoch ist ein umfassendes Konzept und eine Durchgängigkeit in der Planungsphilosophie, die Synergien und Querverbindungen ermöglicht. 

11.   Markenloyalität ist keine Selbstverständlichkeit. 

         Markenartikler in den USA haben eine für sie bittere Erfahrung gemacht: Der Wettbewerb durch den Einzelhandel (der seine eigenen Produktbezeichnungen einsetzt) nimmt zu, die altbewährte Markenloyalität seitens der Konsumenten kann nicht mehr als selbstverständlich angenommen werden. Dieser Trend gilt in Europa schon seit langem. Hier versuchen Kaufhausketten wie etwa die englische Supermarktkette Sainsbury & Tesco oder die französische Supermarkt-Gruppe Casino, den Anteil ihrer Eigenprodukte signifikant zu erhöhen - wobei dieser Eigenanteil bereits jetzt zwischen 30 % und 40 % am Gesamtumsatz beträgt.  

In den Warenkategorien, in denen Markenartikler viel an Werbung und Promotion investieren, ist die Markt-Penetration mit den Eigenprodukten des Einzelhandels noch gering, der Trend ist jedoch auch hier feststellbar. Und eine niederländische Studie hat ergeben, daß 45 % der befragten Konsumenten der Überzeugung waren, daß sich der holländische Einzelhändler Albert Hejin mehr um seine Kunden kümmert als Nestle - was eine böse Überraschung für den internationalen Lebensmittelkonzern bedeutet.  

         Die Schlußfolgerung daraus: Die Konsumenten-Loyalität ist zu pflegen bzw. wieder zu erlangen. Nestle hat in Frankreich bereits auf diese Entwicklung reagiert und neben Autobahnraststätten eigen Einkaufszentren mit Nestle-Babyprodukten errichtet. 

12.    Im Bereich der Video-Spiele kommt es zur Marktbereinigung. 

         Im derzeit boomenden Markt der Videospiele stehen dramatische Veränderungen bevor: Die 6,5 Milliarden-Dollar-Industrie floriert, die Marktführer Sega und Nintendo bringen immer neue Generationen auf den Markt. Darüber hinaus wird aber auch Sony mit einem neuen 32-Bit-Gerät für Videospiele einsteigen, die langerwartete "PlayStation" soll Ende 1995 in den USA auf den Markt kommen. 

         Aber auch die Konkurrenz schläft nicht: Die Firma 3DO Co oder die Atari-Gruppe bleiben weiterhin im Markt und offerieren 32-Bit sowie 64-Bit Videospiele aus eigener Produktion. 

         Darüber hinaus sind Millionen "auffrisierter" PCs für die Videospiel-Produzenten eine harte Konkurrenz: Mit CD-ROM ausgerüstet, bringen diese Personal Computer einen verbesserten Sound, was die Möglichkeiten für das Abspielen von Videogames enorm steigert. 

        Wer nun glaubt, daß ihn die Entwicklung am Videomarkt nicht betrifft, möge bedenken: Der technische Fortschritt kann einen ganzen Industriezweig auf den Kopf stellen. Zur wirtschaftlichen Überlebensstrategie muß es daher gehören, die Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie laufend zu überprüfen und für die eigenen Aktivitäten nutzbar zu machen. 

13.    Auch der Einzelhandel wird die interaktiven Medien nutzen. 

Interaktive Technologien für Lebensmittelhändler, Drogerien und für viele andere Branchen existieren bereits. Dabei erfolgt der Kauf (wie etwa über "ShopperVision") vom Heim aus ab. Die Produkte werden dann von neuen Dienstleistungs-Firmen (wie "Shoppers Express") direkt nach Hause geliefert. Der Käufer wird die Produkte am Bildschirm in voller Farbe selektieren können wie in den Regalen der Geschäfte selbst. Via Fernbedienung wird eine bestimmte Ware ausgewählt, das Zutaten-Etikett überprüft,  das Produkt dreidimensional präsentiert und eventuell in einen virtuellen Einkaufswagen abgelegt. Gezahlt wird per Kreditkarte - oder der Betrag wird einfach auf die monatliche TV-Gebühr aufgerechnet. All dies nennt man "virtual shopping". 

         Abzuwarten bleibt, wie der Konsument auf dieses interaktive Angebot reagiert. Wird er dazu neigen, mehr zu kaufen?  Wird er selektiver entscheiden? Wird er das interaktive Einkaufen dem klassischen Einkaufsbummel vorziehen? Wie groß ist der sinnliche Reiz am Einkaufen? Kann der physische Einkauf durch eine Online-Erfahrung ersetzt werden?         
Anzunehmen ist, daß der "Konsument der Zukunft" einfache Gebrauchsartikel online erwerben wird, während er besondere Produkte persönlich einkaufen wird. Andererseits: Einkaufsgewohnheiten sind schwer vorhersehbar, Zeit und Technologie werden darauf die Antwort geben. 

14.    Der Information Superhighway wird den Media-Einkauf verändern. 

         Der TV-Konsum und die Datenübertragung werden am "Information Superhighway" ebenso schnell und komplex abgewickelt werden wie etwa das Warengeschäft in der Wallstreet. Marktforschungs-Institute verstärken ihre Teams bereits durch Wallstreet-Spezialisten - denn bald werden die Mediaeinkäufe online getätigt werden. Und dazu bedarf es "intelligenter" Systeme, um die unglaubliche Menge an Mediainformationen zu analysieren und zu gewichten. Es gibt sogar die Annahme, daß sich der TV-Werbemarkt zu einem buchstäblichen "Warenmarkt" entwickeln wird - mit Optionen und Anleihen. 

         Natürlich hängt dies davon ab, ob die großen Medienkonzerne diese Entwicklung mittragen. Auch sind Börsen-Indizes im Bereich des "Mediabuying" weniger bedeutungsvoll, da auch durch konventionelle Forschungsmethoden festgestellt werden kann, welche Teleshopping-Programme von bestimmten Zielgruppen gesehen werden bzw. welche Produkte bestellt wurden. Produktumtausch ist dann ein komplexer Feedback-Vorgang innerhalb interaktiver Werbesendungen. Besondere EDV-unterstützte Abrechnungssysteme werden die Teleshopping-Transaktion überwachen und analysieren. Was zu einer wesentlich detaillierteren und besseren Kenntnis über das Konsumverhalten führt, zu wesentlich genaueren demographischen Daten der Medienkonsumenten und ihrer Einkaufsgewohnheiten sowie zu neuen Instrumenten und Analyseverfahren in der Media-Planung.

15.    Direct-Marketing geht neue Wege. 

         Mehr als jeder andere Marketingbereich werden sich die Direct-Mail-Aktivitäten verändern. Während der Begriff "Information Superhighway" für viele noch Zukunftsmusik ist, ist er für Direct-Mail-Anbieter eine existenzielle Bedrohung - oder eine einzigartige Chance, wie man es eben sehen will. 

Direct-Mail hatte schon immer die Post als Grundlage - nicht nur was die Zustellung von Werbematerial betrifft, sondern auch die Rückantwort der Kunden, und das seit der Zeit des Ponyexpress. Aber in Zeiten der medialen Interaktivität ist die Postzustellung nur eine von vielen Möglichkeiten, um eine Botschaft zu kommunizieren - und sicher nicht die beste. Die steigende Popularität von CD-ROM, die erwartete Explosion an interaktiven Homeshopping-Fernsehkanälen und die Möglichkeit, Produkte per Fernbedienung zu bestellen - all dies wird gedruckte, ins Haus gelieferte Werbematerialien reduzieren. Andererseits wird eine Zunahme der auf direkte Information beruhenden Käufe diagnostiziert, ebenso wie eine Zunahme der Bedeutung der Postdienste für die Zustellung der Produkte, die interaktiv bestellt wurden.  

         Die neuen Medien-Technologien bedeuten daher nicht ein Ende von Direct-Mail-Aktivitäten, sehr wohl aber eine Veränderung in der Informationsübermittlung und Kontaktaufnahme. Daher sind Alternativen zu den traditionellen Mailings zu entwickeln. 

16.    Die Anzeigenabgabe ist ein Relikt der Nachkriegsära. 

Für eine Beseitigung der Doppelbesteuerung der Werbung sowie für eine bundeseinheitliche Regelung der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe sprach sich im Rahmen eines Mediengespräches der Geschäftsführer des Kommunikationskonzernes IWG, Dr. Gerhard Feltl, aus: "Angesichts der substantiellen Bedeutung der Werbung für Prosperität und Wirtschaftswachstum eines Landes ist der gegenwärtige Abgabendschungel, der die Werbewirtschaft nachhaltig schädigt, nicht länger tragbar. Die vielfach unterschiedliche Besteuerung von Werbung durch die Länder und Gemeinden muß durch eine bundeseinheitliche Werbeabgabe ersetzt werden", forderte Feltl. 

         Das Finanzausgleichsgesetz des Bundes ermächtigt derzeit Länder und Gemeinden zur Einhebung einer Anzeigen- und Ankündigungsabgabe. Dies hat oftmals zur Folge, daß Unternehmen, die an einem Ort ihren Hauptsitz haben, aber an einem anderen Ort ihre Druckwerke vertreiben, doppelt besteuert werden. "Dadurch kommt es auch zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Eine Doppel- und Mehrfachbelastung, wie sie derzeit möglich ist, muß daher durch eine Neuregelung ausgeschlossen werden", meinte Feltl. 

         In diesem Zusammenhang begrüßte der IWG-Geschäftsführer die von den führenden Medien Österreichs vor kurzem gestartete Informationskampagne zum Thema Werbebesteuerung: "Durch diese Initiative wird endlich Problembewußtsein geschaffen. Denn einerseits wird durch die derzeitige Regelung die Werbewirtschaft massiv beeinträchtigt, andererseits wird auch die Vielfalt der Medienlandschaft bedroht. Es handelt sich bei diesem Thema daher um eine gesamtgesellschaftliche Frage, nicht nur um das Problem einzelner Werbe- und Medienunternehmen", erklärte Feltl. 

         "PROBLEMATISCHE" POSTTARIFERHÖHUNGSPLÄNE 

         "Problematisch" nannte Feltl auch die jüngst bekannt gewordenen Pläne, den Posttarif für Druckwerke massiv anzuheben: "Auch dadurch wäre Österreichs Medienlandschaft nachhaltig betroffen. Viele kostenlose regionale Wochenzeitschriften würden 'postalisch' nicht mehr als Zeitung geführt und wären dadurch von der Erhöhung des Posttarifs für Druckwerke unmittelbar betroffen. Dies würde wahrscheinlich das Aus für einige Medien und damit eine Reduktion der Medienvielfalt und Meinungspluralität in diesem Lande bedeuten", sagte Feltl abschließend.  

17.    Das Anforderungsprofil an Agentur-Mitarbeiter wird sich verändern. 

         Gemäß einer Prognose von Jayne Spittler (Medienexpertin bei Leo Burnett Co) wird das neue Werbezeitalter nicht nur Veränderungen im Marketingbereich bringen, sondern auch die Art der Arbeit innerhalb der Werbeagenturen signifikant verändern. Dies bedeutet auch neue Qualifikations-Kriterien. So wird es auf der kreativen Seite nötig sein, interaktiv kommunizieren zu können, der Umgang mit Computern und neuen Informationstechnologien wird unverzichtbar sein. Dabei geht es nicht nur über die Nutzung diverser EDV-Programme, sondern um die Fähigkeit, die Möglichkeiten der neuen Technologien und interaktiven Medien voll zu nutzen. 

18.    Neue Standorte für Werbeagenturen entstehen. 

         Die "Stadtflucht" aus überbevölkerten, teuren und zum Teil durch Drogen, Kriminalität und Rassenunruhen bedrohlichen Agglomerationen in den USA führt zum Entstehen von neuen Agenturstandorten. Dieser Exodus betrifft nicht nur die Agenturhochburgen New York oder Los Angeles und bedeutet einen Transfer bzw. die Gründung neuer Agenturen wie etwa "Missoula", "Montana's Spiker Communications", "Billing's Exclamation Point Advertising" in Jackson/Wyoming. 

         Für Europa bedeutet dieser Trend .... 
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19.    Der Konsument will ernst genommen werden. 

         Der Produktnutzen muß adäquat präsentiert werden. Darüber hinaus wird es bis zum Jahr 2000 eine signifikante Veränderung darin geben, wie Werber mit ihrem Zielpublikum kommunizieren - das gilt insbesondere für ältere Frauen sowie für die Zielgruppe der Gays und Lesbians.  

Die Kosmetik- und Modewerbung hat bereits gelernt, daß ihrer Klientel die Fixierung auf "ewige Jugend" auf die Nerven geht. Der zunehmende Einsatz von Models, die 40 oder 50 Jahre alt sind (für Firmen wie Banana Republic, Lancome oder Calvin Klein) signalisiert bereits diese Werbeänderung. Auch in der Kosmetik- und Mode-Industrie wird sich dieser Bewußtseinswandel verstärkt durchsetzen. 

         Parallel dazu ist in Amerika ein neuer Trend festzustellen, nämlich eine zunehmende Respektierung alternativer Lebensformen. Als Konsequenz davon hat die werbetreibende Wirtschaft zunehmend die Zielgruppe von Gays und Lesbians als interessante Werbezielgruppe entdeckt und eine Bewerbung nicht nur in Alternativ-Medien forciert. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verstärken und auch auf Europa übergreifen. 

20.   Marktchancen entstehen nicht von selbst. 

         Integriertes Marketing (die Kombination von Kreation, Sales Promotion, Public Relations, Direct Response, Special Events und anderen Marketing-Funktionen unter einem "Agenturdach") ist charakteristisch für die neue Agenturlandschaft. Leichte Ansprechbarkeit, Problemlösung "aus einer Hand" sowie Synergien und Konsistenz in allen Werbemaßnahmen sind die entscheidenden Argumente, die für integriertes Marketing sprechen.  

Das "Streamlining", das derzeit große Konzerne bei ihren Werbe- und Marketingaktivitäten vornehmen sowie die Konzentration der Werbeetats auf einige wenige Agenturen signalisiert, daß integriertes Marketing auch in den kommenden Jahren die Agenturlandschaft bestimmen wird. 

09/95 - Dr. Gerhard Feltl