Themen > Sponsoring > Kultursponsoring in der Praxis: Neujahrskonzert

Gerhard Feltl

"Beobachter vermerkten mit Interesse, daß das Neujahrskonzert von IBM gesponsert wurde. Durch die Sponsorschaft des amerikanischen Elektronik-Konzerns wurde sichergestellt, daß das Neujahrskonzert auch in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt wurde. Durch die IBM-Sponsorship wurde also nicht nur eine kulturell höchst verdienstvolle Sendung unterstützt, sondern auch der Kulturauftrag, den öffentlich-rechtliche Anstalten zu erfüllen haben, in geradezu idealer Weise verwirklicht".  

Mit diesen Worten kommentiert der deutsche Medienexperte Hans R. Beierlein in einem Interview mit der Fachpublikation Neue Medien das Sponsorship-Projekt Neujahrskonzert. 

Keine Frage: Das Neujahrskonzert ist das erfolgreichste Kulturprogramm des Österreichischen Rundfunks. Es wird und wurde in den vergangenen 25 Jahren immer aus eigenen Mitteln finanziert, in den letzten Jahren in Ko-Produktion mit dem ZDF. Bei der Verbreitung des Programmes (so Peter Radel, Kaufmännischer Direktor des ORF) geht es dem ORF vor allem um das Live-Element: Es steht weniger die konkrete Verbreitungs- oder Verkaufsmöglichkeit im Vordergrund als vielmehr die Absicht, dieses Konzert am 1. Jänner in Radio und Fernsehen einem möglichst großen Publikum weltweit zu vermitteln. 

Nach dieser Projekt-Positionierung möchte ich mit einigen Worten den IBM-Anteil an dieser zweifelsohne publikumswirksamsten Sponsorship-Aktivität beschreiben und daran einige grundsätzliche Überlegungen zum Thema Sponsoring anfügen:  

IBM sponsert das Neujahrskonzert seit 1985. Unser Unternehmen übernimmt die Satellitenkosten, die für die Übertragung in die USA anfallen; zahlt dem ORF einen bestimmten Betrag für den Verkaufswert des Programmes; stellt mit Walter Cronkite den wohl prominentesten US-Moderator zur Verfügung und sorgt für die Parallelwerbung in in- und ausländischen Trendmedien. 

Die Gegenleistung der beiden Sender ORF und WNET-Channel 13 besteht in der Schaltung eines Sponsorship-Statements in der Dauer von je 5 Sekunden am Beginn und am Ende des Programmes. Durch Verhandlungen mit der Dachorganisation der europäischen Rundfunk-Anstalten, der European Broadcasting Union, gelang es dem ORF in den vergangenen Jahren, einige europäische Stationen zur Übernahme dieses Sponsorship-Statements zu bewegen – sodaß aus der Sicht des sogenannten return on investment ein Drittel des westeuropäischen Fernsehmarktes und der gesamte US-Markt (bezogen auf das PBS-System) dieses Sponsorship-Statement auch tatsächlich gesehen und konsumiert hat. 

Das Konzert wird in den USA über Channel 13 ausgestrahlt und erreichte im ersten Jahr rund 29 Millionen Zuseher. Am 1. Jänner 1987 waren es bereits mehr als 51 Millionen Zuseher, und für 1. Jänner 1988 rechnen wir mit einer weiteren signifikanten Steigerung. 

Seit dem vergangenen Jahr wird das Neujahrskonzert übrigens auch in der Volksrepublik China ausgestrahlt. Damit hören und sehen in der ganzen Welt rund 130 Millionen Menschen diesen Neujahrsgruß aus Österreich. Wir glauben, daß wir damit nicht nur ein attraktives Sponsorship-Projekt verwirklicht haben, sondern auch unserer Philosophie von Corporate Social Responsibility in besonderer Weise gerecht geworden sind und einen wertvollen Beitrag auch für das Image Österreichs im Ausland leisten konnten. 

Man kann nun fragen: Was veranlaßt Unternehmen wie die IBM, namhafte Beträge für kulturelle und künstlerische Vorhaben auszugeben? Was ist der return on investment derartiger Aktivitäten? Welchen Gewinn (und dieser ist die letztlich interessante Meßgröße unternehmerischer Tätigkeiten) ziehen wir daraus? 

Erklärtes Ziel aller Bemühungen von Unternehmen auf dem Gebiet von Kunst- und Kulturförderung ist das Image und Erscheinungsbild des Unternehmens in der Öffentlichkeit positiv darzustellen, sowie die Akzeptanz der unternehmerischen Tätigkeit zu erhöhen. 

Gerade die erfolgreichen Unternehmen haben sehr früh erkannt, daß sie Verpflichtungen haben, die über ihre wirtschaftliche Kernfunktion weit hinausgehen. Daß die Barrieren und Berührungsängste zwischen Kunst und Kultur einerseits und Wirtschaft und Technik andererseits überwunden werden müssen, Daß "Wirtschaften" mehr ist als die Automatik des Marktes – nämlich ein gesellschaftliches Geschehen, ein Kulturprozeß. Das heißt: Gestaltungsfähig und gestaltungsbedürftig. 

Die unternehmenspolitische Antwort auf diese Herausforderung nennen wir Corporate Social Responsibility. Im Laufe der Zeit haben sich unter diesem Titel sechs Schwerpunkte bei IBM herausgebildet: Wissenschaft und Forschung. Kunst und Kultur. Bildung und Ausbildung. Gesundheit und Umwelt. Gesellschaft und Wohlfahrt. Dritte Welt. 

Um eine Orientierungsgröße zu geben: Im Jahr 1986 hat die IBM für diese sechs Bereiche weltweit rund 187 Millionen Dollar aufgewendet. Und wenngleich eine interne Richtlinie das Budget für Corporate Social Responsibility vorgibt, so ist es doch die Entscheidung jeder Landesgesellschaft, die Aktivitäten im Rahmen dieser sechs genannten Bereiche selbst festzulegen. 

IBM-Österreich hat sich schwerpunktmäßig für "Kunst und Kultur" entschieden. Tatsächlich ist Kultur ein wichtiges Medium für IBM – für unsere Akzeptanz, für den Motor "Sympathie", aber auch für ein spezifisches Österreich-Image des Unternehmens. 

Das führt zu der Frage, was gefördert werden soll: Wir gehen davon aus, daß der Sponsor grundsätzlich frei entscheiden soll, was er fördern will. Diese Entscheidung ist übrigens der einzige Zeitpunkt, zu dem wir (wenn Sie so wollen) Einfluß auf ein Werk oder auf ein Projekt nehmen. Es ist richtig: Der Einfluß durch Sponsoring kann langfristig daran festgemacht werden, was nicht gefördert wird. Das ist eine Frage, die uns durchaus beschäftigt. Das ist aber auch ein Dilemma, das wir mit der öffentlichen oder staatlichen Kulturförderung teilen. 

Natürlich haben wir auch einige Auswahlkriterien für unsere Sponsorship-Aktivitäten formuliert. Demnach sollen die Projekte, die wir unterstützen, vor allem 

-        neuen Ideen zum Durchbruch verhelfen

-        der Allgemeinheit zugute kommen

-        nicht als Mittel zur Erreichung von Geschäftsabschlüssen eingesetzt werden

-        sich nach der Starthilfe allenfalls selbst erhalten können. 

Gerade wer in einer innovativen Branche tätig ist wie die IBM, ist auf ein gesellschaftliches "Reizklima" angewiesen, in dem ungewöhnliche Ideen und unkonventionelle Lösungen gedeihen können. Daraus folgt, daß neben der Förderung kultureller Tradition auch die Förderung des Noch-nicht-Etablierten, der Avantgarde, für uns hohen Stellenwert hat.  

Darüber hinaus wollen wir mit unserer Kunstförderung einen Beitrag zum regionalen Kulturleben, aber auch zu seiner internationalen Verbreitung leisten. Nicht zuletzt wollen wir damit aber auch den Nachweis erbringen, daß die IBM mit einer 60 jährigen Tradition hier in Österreich ihre Verantwortung als Good Corporate Citizen ernst nimmt.  

Aus: Kunst und Wirtschaft. Herausgeber: Helmut H. Haschek, Klaus Albrecht Schröder, Robert Sedlaczek, Christian Reder. Falter-Verlag, 1987. ISBN 3-85439-058-0