Themen > Wahlwerbung > Von Demoskopen und Auguren

Gerhard Feltl

 "TV-Duelle entscheiden die Wahlschlacht", lautete die martialisch inszenierte Adabei- Realität dieser Nationalratswahlen. Es waren insbesondere die Fellner-Brothers, die in ihren Publikationen mit gewohntem Marketingtalent diese Wahlbotschaft zum ORF hinaufjubelten, wobei der Küniglberg sein sorgfältig abgestimmtes Echo millionenfach verstärkt ins Mediental zurückwarf.  

Auch die Wahlkampf-Manager der Parteien setzten bei dieser Wahl voll auf das Monopolmedium Fernsehen, teilweise wegen der Kürze des bevorstehenden Wahlkampfes, teilweise aber auch beeinflußt von parteinahen Auguren, welche auf die Telegenität des Spitzenkandidaten hinwiesen. Wahlbotschaften und Parteiprogramme spielten eine untergeordnete Rolle. Das Styling und Coaching, die "Vitouchen" der TV-Gladiatoren vor der Diskussion sowie die "Quickies" parteibeflissener Meinungsforscher post festum dominierten die Wahlkampf-Berichterstattung.  

Politik entschwindet auf diese Weise in eine Art Pseudorealität, wird zu einer nur mehr durch Medien übermittelten Erfahrung, zum "kommunikativen Kunstprodukt" (Ulrich Sarcinelli). Und ist es ein bloßer Zufall, daß die Bedeutung des Fernsehens von den Publikationen News und tv-media gerade zu einem Zeitpunkt massiv propagiert wurde, zu dem der Verlag ein eigenes TV-Magazin auf den Markt brachte und eigene Fernsehpläne angemeldet hatte?  

The proof of the pudding is in the eating. Wenn es nach dem von den Medien propagierten entscheidenden Einfluß der TV-Duelle auf die Wahlentscheidung gegangen wäre, so hätte Wolfgang Schüssel in der Wählergunst weit besser abschneiden müssen. Denn immerhin war er in allen Rankings und Analysen einer möglichen Wirkung in den TV-Konfrontationen der klare Sieger gewesen. Der wahre Triumphator dieser Wahl Franz Vranitzky mußte sich dagegen wochenlang vorhalten lassen, in den Medien zum eigenen Schaden nicht präsent zu sein, begleitet selbstverständlich vom entsprechend zugerichteten Umfragematerial, das ihm ein Schwinden seiner Kanzlerkompetenz und seiner Attraktivität bescheinigte.  

Durch Meinungsumfragen werden Aussagen, Einstellungen und Meinungen abgebildet. Das tatsächliche Verhalten kann jedoch (wie der Vergleich zwischen Prognosen und Ergebnissen zur Nationalratswahl '95 eindrucksvoll belegt) damit nur sehr schwer vorhergesagt werden. Und auch jede Frage nach dem Einfluß einer TV-Konfrontation auf die eigene Wahlentscheidung kann jeweils nur die subjektive Meinung des Befragten messen - und nicht die objektive Wirkung des Mediums auf das tatsächliche Wahlverhalten.  

Natürlich kann niemand den Medien verbieten, eigene Umfragen in Auftrag zu geben, etwa um redaktionell interessante Themen abzutesten, oder Fragen von politischem und gesellschaftlichem Interesse mit Daten auszuloten. Problematisch wird die Sache aber dann, wenn diese Umfragen für übergeordnete publizistische oder medienwirtschaftliche Interessen von Kommunikationsunternehmen eingesetzt werden.  

Eine Nationalratswahl ist kein Event wie etwa ein Weltcup-Schirennen oder ein Gig der Rolling Stones oder der sattsam bekannten "Drei Tenöre". Es ist eine für die Qualität unseres Gemeinwesens wichtige Sache, die im Interesse der Demokratie verantwortlich gehandhabt werden muß. Die Medien haben dabei die Aufgabe der Information und Kommentierung, sollten aber davon abgehalten werden, die Spielregeln dieses Entscheidungsprozesses zu "mediatisieren" oder zu einem Marketinggag in eigener Sache zu benutzen. Das ist diesmal in einem demokratiepolitisch gefährlichen Ausmaß der Fall gewesen.  

Andere Printmedien fungierten in diesem Wahlkampf nicht als Korrektiv, sondern als ORF-fixierte Nachlese. Und als willfähriges Nachrichtenbecken für Meinungsumfragen, die - nach Diskussionsschluss und angeblich noch zu mitternächtlicher Stunde - repräsentativ die Sehermeinung einholten oder (wie in einem Presse-Leitartikel festgehalten wurde) bereits vor Beginn der TV-Diskussion das vorfabrizierte Meinungs- spektrum landesweit "auskurierten".  

Für die Demoskopie stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie weit sie auch in Zukunft bereit ist, aus Publizitätsgründen in diesem Medien-Monopoly den "nützlichen Idioten" und bloßen Datenlieferanten zu spielen. Denn die Instrumentalisierung der Politik für medienwirtschaftliche Strategien und die Benutzung von Politikern als Marketing-Botschafter für Medien sollte auch einer Branche zu denken geben, welche sich zumindest auf entsprechenden Veranstaltungen als verantwortungsbewusste und objektive Beobachter im politischen Geschehen versteht.

Wenn solche Daten aber in einem Kontext verwendet werden, der dieses System nachweisbar verändert, wäre jedenfalls Vorsicht und manchmal sogar Zurückhaltung angebracht.

Die Presse, 05/98 - Dr. Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG-Holding sowie Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg.