Themen > Wahlwerbung > Persönlichkeit und Image: die Wahl von Thomas Klestil zum Bundespräsidenten

Österreichisches Jahrbuch für Politik Bundespräsidentschaftswahlen '92

Persönlichkeit und Image
Gründe und Hintergründe der Wahl von Thomas Klestil
zum österreichischen Bundespräsidenten

Gerhard Feltl und Eugen Semrau

"Er ist ein Sieger wie aus dem Kino. Die Geschichte seines Erfolges ist ein Drehbuch zum Film: Thomas Klestil, der Kandidat. Als Diplomat erfolgreich, als Politiker ein unbeschriebenes Blatt, als Person aber gesegnet mit einem ausgeprägten Talent zur Kommunikation, ging er Ende vergangenen Jahres ins Rennen um die österreichische Präsidentschaft, die im Donau-Alpen-Land vom Volk entschieden wird. Ein ehrgeiziger Niemand. Klestils Rolle im Film hatte vor zwei Jahrzehnten Robert Redford gespielt: den chancenlosen Nobody, den hartgekochte Medienzyniker zum Wahlsieg coachen. Der Kandidat Klestil hatte im wirklichen Leben ebenfalls keine Chance. Aber er nützte sie. Und erzielte gegen einen prominenten sozialdemokratischen Minister mit 56,8 Prozent den größten Stichwahl-Erfolg der österreichischen Nachkriegsgeschichte". Mit diesen Worten beschreibt Werner A. Perger in der renommierten deutschen Wochenzeitschrift Die Zeit Aufstieg und Wahl von Thomas Klestil zum Bundespräsidenten. (1)  

1. Vom Diplomaten zum Kandidaten. 

Über die Hintergründe seiner Nominierung existieren bereits Hagiographien: Nach den traumatischen Erfahrungen des Waldheim-Wahlkampfes wurde von SPÖ und ÖVP verbaliter Bereitschaft zu einer gemeinsamen Kandidaten-Auswahl artikuliert. Persönlichkeiten, die medial ins Spiel gebracht wurden, waren unter anderem Hugo Portisch, Herbert Krejci, Ludwig Steiner oder Heinrich Neisser. Aber auch die Namen von Helmut Zilk und Alois Mock wurden, ungeachtet ihrer Dementis, immer wieder kolportiert. 

Erhard Busek wiederum erinnert sich im Gespräch mit dem Wochenmagazin NEWS, Thomas Klestil bereits im Frühjahr 1991 als seinen Kandidaten ins Spiel gebracht und diesbezüglich auch Helmut Zilk und Hans Mayr informiert zu haben. Die Klestil-Nominierung als großkoalitionärer Wunschkandidat sei jedoch (wie schon zuvor die gemeinsame Nominierung von Herbert Krejci) am Kanzlerveto von Franz Vranitzky gescheitert. (2) 

Aus heutiger Sicht ist zumindest offen, ob Klestil von Erhard Busek nicht ganz bewußt "im Talon" gehalten wurde. Dafür spricht, daß erst am 15. November 1991 der ÖVP-Bundesparteivorstand dem Verwirrspiel ein Ende bereitete. Bis zuletzt war versucht worden, Alois Mock oder Heinrich Neisser zur Annahme der Kandidatur zu bewegen. Beide blieben indes bei ihrer kategorischen Absage - aus "persönlichen Gründen, die weit zurückliegen", wie Alois Mock versichert. "Weil es möglich sein könnte, daß er für keine volle Funktionsperiode zur Verfügung stehen kann", wie in der Partei seine damaligen Worte jetzt zitiert werden. (3) 

Das war die Stunde der Entscheidung von Parteichef Busek für Thomas Klestil: "Ich war mit ihm sehr allein. Der Finanzreferent sagte mir, Du bist mein Freund, ich werde Dich immer unterstützen. Aber es ist schade um jeden Schilling, den wir in diesen Mann stecken". (4) 

Die Ausgangssituation war tatsächlich prekär. In den Rohdaten war die Volkspartei Anfang des Jahres 1992 bundesweit auf 18 Prozent abgesackt (die Sozialdemokraten lagen bei 28 Prozent, die Freiheitlichen bei 15 Prozent). Im "Kanzlerplebiszit" erhielt Erhard Busek 11 Prozent - Franz Vranitzky 65 Prozent und Jörg Haider 16 Prozent. (5)

Prekär  war auch die Finanzsituation, weshalb Generalsekretär Ferdinand Maier als Hiobsbotschaft an das Dreikönigstreffen '92 den Auszug der ÖVP-Parteizentrale aus dem traditionsreichen Palais Todesco bekanntgeben mußte. 

Entsprechend unzureichend war auch die Wahlkampf-Vorbereitung: Räumlichkeiten für ein Wahlkampf-Büro waren zwar angemietet worden, doch fehlte die gesamte personelle, technische und finanzielle Infrastruktur. (6) 

Die Ursache der dieser mangelhaften Vorbereitung lag nicht zuletzt in der Einschätzung der Wahlchancen. Thomas Klestil sei nach seiner Nominierung lediglich an dritter Stelle gereiht worden, erinnert sich Erhard Busek. (7) 

Nur Optimisten hofften auf die Stichwahl. "Für die ÖVP schien zum Start dieses Wahlkampfes die Eroberung des Präsidentenamtes unmöglich. Sie wollte nur durch das Erreichen der Stichwahl mit Klestil ihre Position als Nummer Zwei in der Parteienlandschaft absichern und Haider die Führungsrolle im bürgerlichen Lager versperren". (8) 

Gleichzeitig erschienen ab Mitte Dezember 1991 in den Medien die ersten Spekulationen, welche Auswirkungen eine ehrenvolle Niederlage von Thomas Klestil innerhalb der ÖVP haben könnte. (9) 

Für Erhard Busek durchaus kritische Szenarien: im Falle einer schweren Niederlage seines Kandidaten würde ihm diese Personalentscheidung  (ein Jahr nach der äußerst knappen Kampfabstimmung gegen Bernhard Görg um die Obmann-Funktion) voll angelastet werden und die ÖVP tatsächlich Gefahr laufen, auseinander zu brechen - wie unter dem Stichwort "Wirtschaftspartei" damals auch bereits ernsthaft diskutiert wurde. Im Falle einer knappen Niederlage würde andererseits ein bundesweit medial bekanntgemachter Kandidat Klestil von vielen als neuer Hoffnungsträger gesehen werden -  mit einer Zustimmungsrate weit über den damaligen und derzeitigen ÖVP-Werten.

Unter diesen Auspizien wäre eine neuerliche Obmann-Diskussion unabwendbar gewesen. 

Mit dem dritten Szenario, einem Wahlsieg Klestils und seinen innerparteilichen Folgen, hatte man sich in der ÖVP nach Kenntnis der Autoren zum damaligen Zeitpunkt nicht ernsthaft beschäftigt. Im Schlußkapitel dieses Beitrages wird auf die diesbezüglichen Konsequenzen näher eingegangen werden. 

Erhard Busek immerhin war sich der Herausforderungen für seine Obmann-Funktion von Anfang an bewußt. Während des gesamten Wahlkampfes hielt er jedoch unbeirrt an seiner Entscheidung fest, dem Kandidaten die notwendigen Partei-Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ohne die Autonomie der Wahlkampf-Führung einzuschränken oder die "perfekt inszenierte Präsidentschaftskampagne gegen die Parteien" inhaltlich abzuschwächen. (10) 

Ermöglicht hatte diese Doppelstrategie Leopold Maderthaner, der nach einem veritablen innerparteilichen Kraftakt und in enger Abstimmung mit VÖI-Generalsekretär Herbert Krejci am 27. November 1991 Gerhard Feltl das Angebot machte, Wahlkampf-Manager von Thomas Klestil zu werden und ein parteiunabhängiges Team für den Wahlkampf aufzubauen. Vermittelt hatten diesen Kontakt Herbert Retter, der langjährige Mitarbeiter von Bundeswirtschaftskammer-Präsident Rudolf Sallinger und Margot Löffler vom Außenamt, die "resolute und attraktive Betreuerin des Kandidaten". (11) 

Am 2. Dezember 1991 präsentierte Gerhard Feltl seine Vorstellungen hinsichtlich Rahmenbedingungen, Konzeption und Strategie, Wahlforschung, Kommunikation, Agentur-Beauftragung, Organisation und Logistik sowie Budgetbedarf. (12) Tags darauf wurden in einem Gespräch mit Leopold Maderthaner und Thomas Klestil die Modalitäten der Zusammenarbeit fixiert und die seitens der ÖVP-Zentrale zwischenzeitlich getroffenen Personalentscheidungen für den Wahlkampf sistiert. Eugen Semrau wurde im Wahlkampf-Team mit der gesamten Wahlforschung und Werbung betraut.  

In einem Gespräch mit Generalsekretär Ferdinand Maier wurde am 5.Dezember 1991 festgelegt, daß die Wahlkampf-Verantwortung, die Budget-Disposition und die Personalauswahl nicht bei der Bundespartei, sondern ausschließlich beim Kandidaten selbst liegen. Klestil selbst gab diese Entscheidung via APA-Erklärung am 7. Dezember 1992 bekannt. (13) 

Dieses Organisationsmodell mit der Trennung in Wahlkampfleitung (die ÖVP-Zentrale war demnach für die Mobilisierung der Parteibasis, für die Organisation der Parteiveranstaltungen und für die Mittelaufbringung zuständig) und in Wahlkampf-Management (mit Verantwortung für Konzeption und Strategie, Wahlforschung und Planung sowie medial und werbliche Umsetzung der gesamten Kampagne) wurde aus der amerikanischen Wahlkampf-Führung übernommen. 

Für die Abstimmung und Koordinierung zwischen der ÖVP-Zentrale (Kärntnerstraße 51) und dem Wahlkampf-Büro (Kärntnerstraße 8) wurde ein Jour Fixe vereinbart, der zweimal pro Woche stattfand und bei dem alternierend der Wahlkampf-Manager und der Wahlkampf-Leiter den Vorsitz führten. 

Grundlage für die gewählte Vorgangsweise war die Erfahrung, daß im politischen Marketing (und zwar viel stärker als im wirtschaftlichen Bereich) das Irrationale, sprich: das politische Umfeld Sachentscheidungen zu beeinflussen trachtet. Hier war es wichtig, die als richtig erkannte strategische Linie durchzuhalten. (14) 

Gleichsam zur ständigen Erinnerung an diesen Grundsatz war im Wahlkampf-Büro ein Poster mit "Zehn Geboten für die Wahlkampfführung" affichiert, welche aus der legendären John-Danforth Campaign in Missouri 1968 stammten:   

10 Prerogatives for SuccessHow to market a minority party candidate

1.Start with an attractive candidate, who is willing to work and to win. 

2. Obtain expert assistance. Campaign management is too important and too difficult 
    to be handled by amateurs.
 
3. Assemble and mobilize the best team and let everyone know of the 
    stern requirements for professionalism, accuracy and speed. 

4. Establish an effective management structure. You don't win elections by having 
    individuals jumping on separate horses to go riding off in all directions. 

5. Construct the perfect schedule.  Check your masterplan frequently against developments.

6. Establish a comprehensive database, a powerful computer network and 
    sophisticated market research.

7. No campaign has unlimited resources. Therefore: Budget your money and 
    define your targets and priorities. 

8. Coordinate public relations, advertising, initiatives, committees and 
    event-planning effectively. 

9. Remember that media is equally important than advertising. 

10. Communicate your USP – dare to be different, dare to be strong. 


 
 from: Harry N.D. Fisher - The John-Danforth-Campaign, Missouri (1968) 

Zu den vordringlichsten Management-Aufgaben gehörten

·       die technische und administrative Einrichtung des Wahlkampf-Büros sowie der Aufbau eines  hochkomplexen  EDV-Systems und entsprechender Datenbanken (so war es möglich, die rund 4.000 Briefe, die während dieser Zeit an Thomas Klestil geschickt wurden, zeitgerecht zu beantworten).

·       Die Gewinnung von Groß-Sponsoren.

·        Die Rekrutierung des Wahlkampf-Teams (darunter zehn Mitarbeiter der früheren Expo-Vienna AG).

·        Die Festlegung der Verantwortungsbereiche sowie die Strukturierung der Arbeitsabläufe inklusive  Abstimmung bzw. Harmonisierung zwischen der Welt des Managements und der Welt der Diplomatie.  

Christian Prosl, Generalkonsul in Los Angeles und langjähriger Freund von Thomas Klestil, verstärkte äußerst effizient das Wahlkampf-Büro mit einem Beraterteam aus dem Außenministerium. (15)   

2. Motivator versus Macher. 

Auch in Österreich haben sich in den vergangenen Jahren die Kommunikationsstrategien der politischen Akteure verfeinert. Dies wird insbesondere im Umgang einzelner Spitzenpolitiker mit den Medien offenkundig, wenngleich der "Medienkanzler" Bruno Kreisky ein bis dato unerreichtes Vorbild geblieben ist. Selbst in der Alltagsarbeit der Parteien sind zeitgemäße Formen der Öffentlichkeitsarbeit (etwa "Event Management" oder zielgruppenspezifische Aktionen) selbstverständlich geworden. Diese Entwicklungen sind nicht zuletzt das Ergebnis einer fortschreitenden "Mediatisierung" der Politik. Getragen von der kommunikationstheoretisch fundierten Erkenntnis, daß politischer Erfolg wesentlich auf der konsequenten Beeinflussung des öffentlichen Meinungsklimas beruht. Auf der synchronen Anwendung von Strategien zur Durchsetzung von Themen im publizistischen Diskurs.  Sowie auf der glaubwürdigen Demonstration von Lösungskompetenz und Leadership "coram publico". 

Interessanterweise haben sich in Österreich diese Erkenntnisse zwar in der politischen Alltagsarbeit durchgesetzt, auf die Strategien und Techniken der Wahlkampfführung haben sie indes noch relativ geringe Auswirkungen. Die Ursache dafür liegt einerseits in der Dominanz und im Trägheitsmoment der Parteiapparate, andererseits in den Schwierigkeiten, wissenschaftlich approbierte Techniken des Kampagne-Managements in einem derartigen Umfeld durchzusetzen. Österreich hat weder im Hinblick auf die theoretische Fundierung noch auf die operative Eigenständigkeit der Wahlkampf-Führung den Standard anderer westeuropäischer Demokratien erreicht. 

Die Ursachen dafür sind in der Tradition der Parteiarbeit begründet. Nach wie vor sind die Rekrutierungs-Mechanismen und die Entwicklung von Wahlkampf-Strategien primär von innerparteilichen Konsensritualen bestimmt und nicht auf die notwendige Optimierung des Wähler-Votums ausgerichtet. Die Auswahl der Kandidaten ist oft das Ergebnis eines rational nicht nachvollziehbaren innerparteilichen Interessenausgleiches, in dem die notwendige Wählerattraktivität nur ein nachgeordnetes Auswahlkriterium darstellt. Die Nominierung zumindest von Rudolf Streicher für das Amt des Bundespräsidenten war eine Bestätigung dieser Regel. 

Als logische Konsequenz dieser Auswahlmechanismen steht in der Konzeption von Wahlkämpfen demnach die Motivation des eigenen Elektorates im Vordergrund. Wahlkämpfe werden vorrangig als parteiinterne Überzeugungsarbeit verstanden, in der die Rechtfertigung der eigenen Personalentscheidung eine gewichtige Rolle spielt. Traditionelles Kernelement des Wahlkampfes ist das "Einschwören" der Anhänger auf den eigenen Kandidaten. Die Stimmabgabe wird so zur Loyalitätserklärung an die eigene Partei. 

Solche Strategien können freilich nur dann erfolgreich sein, wenn die parteipolitisch anzusprechenden Wählerschichten groß genug sind, Mehrheiten zu erreichen. Mit den für Sozialdemokraten und Volkspartei derzeit ansprechbaren Wählerpotentialen um jeweils 30 Prozent sind derartige Konzepte indes zum Scheitern verurteilt. Die abnehmende Attraktivität und Bindekraft der Parteien macht es zudem immer schwieriger, selbst die eigenen Anhänger entsprechend zu mobilisieren. Dieses Phänomen ist unter den Stichworten "Politiker-Verdrossenheit" und "Demokratie-Müdigkeit" ausreichend beschrieben und analysiert. 

In diesem veränderten soziopolitischen Umfeld sind Wahlen nicht mehr mit Loyalitäts-Strategien zu gewinnen. Wähler-Mehrheiten sind nur mehr über "Koalitionen des Augenblickes" zu erreichen, durch erfolgreiches Ansprechen allgemein bewegender Motivationslagen "hinter" den Themen der Politik, die durch die zur Wahl stehenden Persönlichkeiten überzeugend symbolisiert werden.

Damit rückt die Rolle der Medien als Steuerungsinstanz von Alltagserfahrungen in den Vordergrund. Als Joseph T. Klapper im Jahre 1960 seine heute noch lesenswerte Studie "Effects of Mass Communication" veröffentlichte, formulierte er als "unumstößliche Erkenntnis", daß Massenmedien in der Regel verstärkende, aber kaum verändernde Wirkungen auf bestehende Meinungen und Verhaltensdispositionen ausüben würden. Lediglich bei Sachverhalten, zu denen Menschen noch keine feste Position haben oder bei denen sich gesellschaftliche Umbrüche abzeichnen, könnten Medien ihren Einfluß zur Geltung bringen. (17)  

In seiner Zusammenfassung von rund 30 Jahren Wahlforschung differenzierte Elihu Katz diese Erkenntnis, indem er die "Thematisierungsfunktion" der Medien in Zusammenhang mit den Alltagserfahrungen der Menschen brachte. Seine These: Für die Aufmerksamkeit, die der Wähler entsprechenden Informationen in den Medien schenkt, gibt  es gewichtigere Ursachen, als die eigentlich politischen. Medienrezeption, so Katz, würde vor allem durch das aus der Alltagserfahrung resultierende situationsgebundene Interesse gesteuert werden. (18)

Für die Wahlkampf-Planung bedeutet dies, daß von den Grundbefindlichkeiten der Wähler und von ihren ureigensten Bedürfnissen auszugehen ist - und zwar unabhängig davon, ob diese Vorstellung objektiv gerechtfertigt sind oder ideologisch als passend empfunden werden. Die Kampagne muß in Inhalt und Stil nicht den Eigenschaften des Kandidaten oder seiner Partei entsprechen, sondern primär die Bedürfnisse der Wähler reflektieren und abbilden. Denn nur dann werden ihre Botschaften medial wirksam vermittelbar und im Kontext der Alltagserfahrungen des Wählers "decodierbar".

Bedarfsorientierte Kommunikationsstrategien sind im Bereich des wirtschaftlichen Marketing eine Selbstverständlichkeit. Die konsequente Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Bereich der Politik steht zumindest in Österreich noch aus. 

Für den Bereich der politischen Werbung lassen sich zumindest vier Grundregeln definieren: 

·       Es gibt kein allgemeingültiges Patentrezept. Jede Wahl findet in einem spezifischen innenpolitischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Kontext statt. Diese Rahmenbedingungen ändern sich schneller als im Bereich der Produktwerbung. 

·       Nicht die Eigenschaften des Kandidaten sind für den Erfolg einer Kampagne entscheidend, sondern die Bedürfnisse und Erwartungshaltungen der Wähler. Die Kampagne muß diese Bedürfnisse zielgruppenspezifisch artikulieren. 

·       Aus den Bedürfnissen der Wähler ist ein Ziel-Image zu formen, das im Wesentlichen über Sachthemen definiert wird. Der Kandidat muß diesem Image in der Kampagne entsprechen. Entscheidend ist, daß "die Persönlichkeit wird, was sie ist" ( so der französische Wahlkampf-Guru Jacques Seguela). 

·        Beim Einsatz der Medien sind die unterschiedlichen kommunikativen Leistungen sowie der Alltagszusammenhang der unterschiedlichen Medien-Wahrnehmungen zu berücksichtigen. Dies hat Auswirkungen auf die "Tonalität" der Kampagne.  

 

3. Die Dramaturgie des Wahlkampfes. 

Vieles von dem, was heute als "Kommunifizierung des politischen Systems" (Wolfgang R. Langenbucher) kritisiert wird, zeigt an, daß die Entwicklung in eine veränderte politische Kultur hinüberführt, in der sich die Frage nach der Wirksamkeit von Massenmedien und Kommunikation auf einer komplexeren Ebene neu stellt. 

Eine der Einsichten ist wohl, daß mediale Wirkungen weniger von konkreten Fakten und deren Vermittlung, sondern in weit höherem Ausmaß von emotionalen Eindrücken ausgehen, deren subjektiver Wahrheitsgehalt mit den Befunden der objektiven Welt nicht korrelieren muß. Politischer Erfolg ist daher weniger von dem bestimmt, was wahr ist, als vielmehr davon, was die Menschen für wahr halten. zentral für das medienorientierte "Polit-Business" ist somit die Schaffung von thematisch angereicherten Images (Vorstellungsbildern), welche sich an agierenden Personen konkretisieren lassen, - unabhängig davon, ob diese Personen den Images "in der Realität" tatsächlich entsprechen. (19) 

Erfolgreiche Wahlkampagnen folgen stets dieser Grunderkenntnis. In ihnen muß die zur Wahl stehende Persönlichkeit in einer dramaturgisch gerafften und inszenierten Zeitspanne durchaus im Sinne des Diktums von Seguela tatsächlich zu dem werden, was an Erwartungen und Projektionen bezüglich des Amtes in den Köpfen und Herzen der Wähler bereits vorhanden ist. (20) 

Bei der Entwicklung der Wahlkampf-Strategie für Thomas Klestil wurde davon ausgegangen, daß im Interesse des Kandidaten ein möglichst vollständiges Ausschöpfen der Wähler-Potentiale anzustreben war. Eine mögliche Mehrheit war überhaupt nur zu erreichen, wenn von Anfang an konsequent auf das Ansprechen von Wählergruppen jenseits der ÖVP-Stammwähler und ihrer Sympathisanten gesetzt wurde. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer durchgängigen Planung der Kampagne inklusive der Stichwahl und einer konsistenten Konzeption der politischen Inhalte, bei welcher mögliche Motive von Schmidt- und Jungk-Wählern zu antizipieren waren. 

Aus der Wahlforschung war die Erkenntnis zu gewinnen, daß eine Entmystifizierung des Bundespräsidenten-Amtes in den Augen der Österreicher nicht stattgefunden hatte. Die Befunde einer Grundlagenstudie zum Amtsverständnis ergaben eine eher idolisierte Sicht des Amtes: ein über dem politischen Alltagsgeschehen stehender Bundespräsident; mehr Motivator als Macher; volkstümlich, aber nicht volksnahe. Als "Rückstau" der Waldheim-Ära kann die große Außenorientierung des Amtes gelten, das Bedürfnis nach einem Bundespräsidenten als Repräsentanten des Landes in der Welt. (21) 

Die Klestil-Strategie setzte daher von Anfang an voll auf das Verdeutlichen und Sichtbarmachen von offenkundigen Merkmalen der Persönlichkeit des Kandidaten und die glaubwürdige Kommunikation von Imagedimensionen, welche als Bestandteil des Idealbildes vom Bundespräsidenten gelten konnten. 

Der Verlauf des Wahlkampfes läßt sich in drei Phasen gliedern: 

Die erste Phase (von Jahresbeginn bis Anfang März) hatte vor allem die Steigerung der Bekanntheit von Klestil zum Ziel. Dies war in diesem Zeitraum des "Werbeverbotes" nur mit intensiver Medien-Coverage zu erreichen. hier waren vor allem die Aussagen des Kandidaten zu Staatsvertrag und Neutralität beim traditionellen Salzburger "Dreikönigstreffen" der ÖVP äußerst erfolgreich. Klestil konnte sich glaubwürdig als außenpolitischer Fachmann präsentieren, mit unkonventionellen aber notwendigen Gedanken, als Staatsmann, der künftige Entwicklungen in Europa ohne Rücksicht auf das parteipolitische Kalkül offen anspricht. (22) 

In Gegensatz zur Meinung mancher Kommentatoren (23) ist diese Strategie voll aufgegangen. Klestil schloß in den Bekanntheitswerten nahe zu Streicher auf. Seine Medienpräsenz war nach dem Salzburger Auftritt etwa doppelt so stark, wie die seines SPÖ-Konkurrenten. 

Das Postulat der guten Medien-Akzeptanz wurde auch in der Planung der Wahlkampfreisen des Kandidaten stets berücksichtigt. Bundesländer-Auftritte wurden immer mit lokalen Pressestunden, Redaktionsbesuchen oder Telefonstunden im jeweiligen ORF-Regionalstudio verbunden. Gleichzeitig wurden diese Veranstaltungen möglichst zielgruppenadäquat ausgerichtet, um Wählerschichten anzusprechen, in denen ein Bekanntheits- oder Imagedefizit geortet werden konnte. (24) 

Die zweite Phase des Wahlkampfs setzte am 6. März mit der offiziellen Präsentation des Kandidaten in der Wiener Hofburg ein. Diese "gute Show nach amerikanischem Muster" (25) war der Auftakt zur Schaffung von Vertrautheit mit dem Kandidaten. Klestil wurde auf Plakaten und in den Belangsendungen des Fernsehens jeweils als Privatmann und als dynamischer Staatsmann mit internationaler Erfahrung präsentiert. Die unkonventionelle Plakatlinie, mit Bildern "wie aus dem Familienalbum" (26), aufgenommen von der international renommierten Werbefotografin Elfi Semotan, zeigte den Menschen Thomas Klestil in möglichst vielen verschiedenen Facetten. Sie erreichte hohe Aufmerksamkeit und wurde vor allem von jungen Leuten sehr positiv aufgenommen. (27) "Voila - un homme!" überschrieb das Branchenmagazin "Horizont" einen Artikel, in dem die "Wahlkampagne neuen Formats" gewürdigt wurde (28). 

Das Belangsendungs-Konzept wurde gleichfalls unter Beachtung des Grundsatzes der Authentizität entwickelt. Auch aufgrund des Umstandes, daß kaum Studio-Aufnahmen mit Klestil vorhanden waren, wurde vor allem mit Mitschnitten von Wahlkampfauftritten gearbeitet, wobei auf Atmosphäre und emotionale Dichte, ebenso wie auf Konsistenz mit den Inhalten der Plakat- und Printwerbung geachtet wurde. Die Resonanz auf die Belangsendungen war gleichfalls äußerst positiv. (29) 

Verstärkt wurde das Bemühen um Schaffung von Vertrautheit durch das außergewöhnlich gute Echo, das der Kandidat bei seinen persönlichen Wahlkampfauftritten hatte. Vor allem die nicht als ÖVP-interne Veranstaltungen konzipierten Auftritte waren überdurchschnittlich gut besucht. Das Konzept einer zielgruppenorientierten Anlage dieser Auftritte konnte zwar nicht vollständig durchgehalten werden, hat sich aber im Rahmen des Möglichen durchaus bewährt. (30)

Die dritte Phase des Wahlkampfs zwischen dem 26. April und dem 24. Mai 1992 war von einer unerhörten Aufholjagd Klestils charakterisiert. Die unerwartet knappe Stimmendifferenz im ersten Wahlgang und die damit verbundene österreichweite TV-Wahrnehmung seines sichtlich geschockten sozialdemokratischen Gegenkandidaten ließen das Meinungsklima abrupt kippen. Hatten noch am ersten Wahltag unmittelbar nach der eigenen Stimmabgabe rund zwei Drittel der Österreicher angenommen, Streicher würde die Stichwahl gewinnen, war die Erwartungshaltung der Wähler zwei Tage später bereits umgedreht: Nur mehr 40 % glaubten noch an einen Sieg von Streicher - Klestil war urplötzlich zum "heimlichen Favoriten" geworden. (31) 

Inhaltlich war die Stichwahl-Phase darauf konzipiert, durch klare politische Botschaften weiteres Profil zu gewinnen. Dabei waren vor allem die Schmidt- und Jungk-Wähler des ersten Durchganges anzusprechen und zu motivieren. Aus den Befunden der Wahlforschung war abzuleiten, daß ein gemeinsames Motiv dieser durchaus unterschiedlichen und heterogenen Gruppen eine Kritik an der Parteiendominanz und eine Distanzierung zur Praxis der Machtausübung war. Eine der Hauptleistungen der Klestil-Kampagne war es, dieses Motiv aktiv anzusprechen und so bei Nicht-Klestil-Wählern das Gefühl zu verstärken, im ersten Wahlgang nicht falsch gestimmt zu haben. Ein Votum für Klestil wurde für diese Wähler zur Bestätigung dieser Motive und der Slogan "Macht braucht Kontrolle" zur gelungenen Operationalisierung dieser strategischen Überlegungen. 

Die SPÖ setzte nach dem Schock des für Streicher zweifellos enttäuschenden Zwischenergebnisses voll auf die Mobilisierung des eigenen Lagers. Das erwies sich als ein weiterer schwerer strategischer Fehler, weil dadurch die Attraktivität von Klestil für Ex-Schmidt- und Ex-Jungk-Wähler erhöht wurde. Ein repräsentativer Exit-Poll vom 24. Mai 1992 zeigte dann auch, daß nicht weniger als 74 % der Schmidt-Wähler, 57 % der Jungk-Wähler und 58 % der Nicht-Wähler des ersten Wahlgangs in der entscheidenden Stichwahl für Klestil votiert hatten. (32) 

 

4. Die Persönlichkeit wird, was sie ist. 

In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck verfestigt, die wesentlichste Aufgabe der Wahlforschung wäre das Erstellen von Prognosen über den Wahlausgang. Der Beitrag zur Ausformulierung der Kampagnen-Strategie, zur Kandidatenpositionierung und zur ständigen Kontrolle der Wirksamkeit der Kampagne ist dagegen weit weniger bekannt. 

Auch die Abschätzung politischer Strömungen und die Erfassung des Meinungsklimas ist in der Praxis der Kampagnenführung weitaus bedeutender, als der Unterhaltungswert mehr oder weniger genauer Prognosen (nach denen freilich genau aus diesem Grund starke mediale Nachfrage herrscht). 

Der Klestil-Wahlkampf war zweifellos einer der besterforschten Wahlkämpfe in der zweiten Republik (33). Grundlage der Wahlkampf-Planung war eine zweiteilige repräsentative Grundlagenstudie, in welcher das Verständnis vom Amt der Bundespräsidenten und die dahinterliegende Motivstruktur ausgelotet wurde. Die Ergebnisse dieser Studie waren wesentlicher Bestandteil der gesamten Planung, insbesondere der Kandidatenpositionierung, sowie der Konzeption der Werbemittel.- 

Die seit Jahresbeginn regelmäßig durchgeführten Erhebungen der Wählerpräferenzen (34) zeigten einen relativ stabilen Abstand von etwa 10 Prozentpunkten zwischen Streicher und Klestil, welcher erst unmittelbar vor dem ersten Wahlgang am 26. April signifikant kleiner wurde (Grafik 2): 

Bemerkenswert waren allerdings die kontinuierlichen Zuwächse, welche Klestil in den sensiblen und letztlich wahlentscheidenden Zielgruppen erreichen konnte. Dies ist ein deutlicher Beleg dafür, daß die Kampagne bereits im ersten Durchgang in der Lage war, das Klestil-Elektorat durch Anreicherung mit nicht der ÖVP zuordenbaren Wählergruppen strukturell zu verändern (35). Damit wurde die Voraussetzung für das überraschend positive Abschneiden des Kandidaten im ersten Wahlgang geschaffen und letztlich auch die Basis für den Gewinn der Mehrheit gelegt. 

Verglichen mit der Kommunikationsleistung der Klestil-Kampagne hat die Streicher-Werbung wenig bewegt. In falscher Einschätzung der in der Ausgangssituation liegenden Möglichkeiten war die Kampagne für den sozialdemokratischen Kandidaten insgesamt zu statisch und damit zu unbeweglich angelegt. (36) Unleugbare Stärken des Ministers (wie etwa sein "Macher"-Image oder seine Volksnähe) fanden keine Entsprechung in der Idealvorstellung, welche die Österreicher vom Amt des Bundespräsidenten hatten. Zudem wurde konzeptionell der Fehler begangen, die Kampagne auf diesen "unpassenden" Image-Stärken von Streicher aufzubauen. 

Unübersehbar war der Versuch, die legendäre Kampagne des französischen Präsidenten Francois Mitterand nachzuahmen (etwa mit den "Kraft"-Slogans). Spätestens aber nach dem mißglückten TV-Auftritt in der Wahlnacht des 26. April erwiesen sich dies Stärken als "unecht" und damit als unglaubwürdig. Streichers Image eines "starken" Kandidaten war an diesem Tag unwiederbringlich zerstört worden. Ein Handicap, das der Kandidat während der gesamten Stichwahl-Phase zu tragen hatte. 

Die Grafik 3 zeigt die signifikanten Unterschiede der Wirksamkeit beider Kampagnen, basierend auf Umfragen vom Jänner und vom Mai 1992. In nur vier Monaten hatte Klestil seinen Opponenten in fast allen Imagedimensionen überholt (Grafik 3): 

 

5. Der Preis des Siegens. 

Nach übereinstimmender Meinung der Kommentatoren im In- und Ausland war die Bundespräsidenten-Wahl 1992 ein positiver Beitrag zur politischen Kultur unseres Landes. Die Wahlwerbung aller vier Kandidaten war fair und bot dem Wähler eine gute Entscheidungshilfe. Das in diesem Ausmaß überraschende Ergebnis bietet aber zweifellos auch Anlaß, über mögliche Konsequenzen für den Stil künftiger politischer Auseinandersetzungen nachzudenken. 

Zweifellos war eine "Amerikanisierung" der Wahlwerbung festzustellen: Personalisierung, Dramatisierung und Emotionalisierung des Prozesses der Meinungsbildung waren das Erfolgsrezept. Voraussetzung bleibt in jedem Fall der Appeal des Kandidaten, sowie seine Kommunikations- und Lernfähigkeit, manifestiert im glaubwürdigen Hineinwachsen in die Erwartungshaltungen der Wähler. 

Daraus werden alle Parteien zu lernen haben. Etwa im Hinblick auf die Notwendigkeit, ihren Vermittlungsauftrag zwischen Bürger und Staat in Zukunft glaubwürdiger zu legitimieren und vom personellen Angebot her attraktiver zu gestalten. Wahlerfolge werden immer stärker Kommunikationserfolge sein müssen, welche anderen Gesetzen unterliegen, als die tägliche politische Arbeit. 

Die Reaktionen auf die Wahl Klestils zeigen jedenfalls gewisse Beharrungstendenzen, wie etwa den Versuch einer Rückführung des Ergebnisses auf exogene Faktoren: "Das Ausgleichsdenken" (also die Neigung der Österreicher, einem "roten" Regierungschef einen "schwarzen" Bundespräsidenten gegenüberzustellen), hätte die Wahl entschieden, meinte etwa Josef Cap in einer ersten Stellungnahme. Derartige Erklärungsmuster finden keine empirische Bestätigung. Sie sind vielmehr als Ausdruck der Ratlosigkeit der Parteien zu verstehen, mit dem überraschenden Ergebnis zu Rande zu kommen. 

Die politische Bedeutung der Wahl von Thomas Klestil zum österreichischen Bundespräsidenten ist derzeit gesamthaft noch nicht präzise zu beurteilen. Die außenpolitischen Akklamationen kamen nicht überraschend: In den ersten Monaten von Klestils Amtsführung wurde die in der Waldheim-Ära beschädigte internationale Reputation Österreichs zumindest medial wiederhergestellt. 

Innenpolitisch ist die Situation nicht so eindeutig einzuschätzen. Wenn der Bundespräsident anläßlich seines ersten Bundesländer-Tages in Tirol "wie ein Popstar" empfangen wird (37), so wird sich diese Popularität früher oder später auch im innenpolitischen Kräftespiel bemerkbar machen. Klestil ist jedenfalls jene aktive Rolle, die sein Vorgänger stets angestrebt hatte, auch tatsächlich zuzutrauen. 

Bereits zu Beginn des Jahres 1993 gab es erste Anzeichen einer Verlagerung der Gewichte im innenpolitischen Kräfteparallelogramm. Prinzipientreue in moralischen Grundsatzfragen, Eigenständigkeit des Urteils ohne Rücksicht auf Parteiloyalitäten oder die offizielle Regierungslinie sowie ein ständiges Einfordern von notwendigen Sachlösungen könnten Thomas Klestil auch faktisch jenes politische Profil verschaffen, welches im "idolisierten" Verständnis des Amtes angelegt ist und dessen erfolgreiche kommunikative Projektion ihm den Weg in die Hofburg eröffnet hat. Der Wahlsieger ist aufgefordert, seine Wahlkampf-Versprechen einzulösen und die Probe aufs Exempel zu liefern. 

Anmerkungen: 

(1)      Die Zeit vom 29. Mai 1992

(2)       News vom 23. Dezember 1992

(3)       Profil vom 4. Jänner 1993

(4)       Kronenzeitung vom 12. Juli 1992

(5)       Profil vom 4. Jänner 1993

(6)        Zur Präsentation hatte man vier Agenturen (a-3, Schilling, Sery, Mang) eingeladen – das Agenturbriefing und die Ausschreibungsunterlagen umfaßten freilich nur den ersten Durchgang, ein Konzept für die Stichwahl wurde nicht gefordert. Erst mit Bestellung des neuen Wahlkampf-Managements kam es zu einem Re-Briefing der Agenturen und zu einer neuerlichen Präsentationsrunde. Die Entscheidung fiel am 4. Jänner 1992 zugunsten eines Projektteams mit Michael Lynn (als Texter), Robert Hollinger (für die Graphik), Wolfgang Strauhs (Organisation) sowie Kreativdirektor Edmund Petri und Alois Schober von Young & Rubicam.

(7)        Die Presse vom 5. Jänner 1993

(8)        Walter Tancsits: Vom Underdog zum Bandwagon. Eine Analyse der Wahl von Dr. Thomas Klestil zum Bundespräsidenten, Wien 1992, S. 5

(9)         So etwa Kurt Vorhofer in der Kleinen Zeitung vom 14. Dezember 1991.

(10)       Unterstützt durch eine "überaus kompetente Werbestrategie wußte Thomas Klestil die verbreitete Parteiverdrossenheit großer Wählerschichten für sich zu nutzen. Man nehme ihm daher eher ab, über den Parteien zu stehen" – beschrieb die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG die Chancen beider Kandidaten einige Tage vor der Stichwahl. In Österreich war das Vertrauen in die Qualität der Klestil-Kampagne anfangs bei weitem nicht so groß. In der Presse vom 3. März 1992 schrieb etwa Annelies Rohrer in typischer Einschätzung der Situation: "Zyniker schließen jetzt bereits Wetten darauf ab, daß es der Partei wieder gelingen werde, aus dem Profit für Klestil durch einen ungeschickten Wahlkampf Schaden werden zu lassen."

(11)     News vom 23. Dezember 1992

(12)       Siehe dazu: Strategiepapier Präsidentschaftskandidatur Klestil

(13)       Die APA-Erklärung im Wortlaut: "Mit der Nominierung von Dr. Gerhard Feltl zum Leiter meiner Wahl-Kampagne möchte ich ein Signal in Richtung Professionalität und Internationalität setzen. Ich kenne Gerhard Feltl als kritischen Freund der ÖVP und als Manager von hohem Standard und Leistungswillen. Dafür spricht seine bisherige berufliche Tätigkeit, mit der er auch zum internationalen Ansehen Österreichs beigetragen hat. Ich freue mich, daß Vizekanzler Dr. Busek meinen Personalwunsch ausdrücklich begrüßt hat. Diese Unterstützung des Parteiobmannes ist für mich die Garantie für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen meinem Wahlkampf-Team unter der Leitung von Dr. Feltl und der Österreichischen Volkspartei."
Zur Absicherung der Partei-Unabhängigkeit wurde daher ein eigener Verein gegründet ("Überparteiliches Personenkomitee zur Unterstützung der Wahl von Dr. Thomas Klestil"), ein parteiunabhängiger Vereinsvorstand (ident mit dem Wahlkampf-Management) gewählt, eigene Statuten beschlossen und ein dem Parteizugriff entzogenes Wahlkampf-Konto eröffnet.

(14)       "Daß die Volkspartei nur die Plattform zur Verfügung gestellt hat und Klestil als Einzelkämpfer werken hat lassen, hat wahrscheinlich die Wahl entschieden", meinte etwa Werbe-Profi Johannes Newerkla von der Agentur Demner & Merlicek. Zitiert in: Wirtschaftswoche vom 4. Juni 1992.

(15)      News vom 23. Dezember 1992

(16)      Siehe dazu etwa: Fritz Plasser / Anton Pelinka (Hrsg.): Das österreichische Parteiensystem, Wien und Köln 1988

(17)     Joseph t. Klapper: The Effects of Mass Communication, New York 1960

(18)       Katz Elihu: Platforms and Windows- Broadcasting's Role in Election Campaigns, in: Journalism Quarterly, Heft 2 (1971)

(19)      Joachim Riedl in einer Analyse des amerikanischen Präsidenten-Wahlkampfes: "Die amerikanische Politik...ist viel eher das Produkt von Projektionen, dem erfolgreichen Imagetransfer, bei dem häufig sträflich simplifizierende4 Ideen oder Bruchstücke von Ideen mittels griffiger Slogans populär gemacht werden. Stehen sie im Einklang mit der Stimmungslage der Nation, so entsteht daraus ein politischer Konsens... Es kommt auf die emotionalen Verstärkermomente an, auf den Trick, die Bedürfnisse einer möglichst großen Zahl auf eine politische Figur zu fokussieren". In: Wirtschaftswoche vom 3. Dezember 1992.

(20)      Im Gegensatz zu Riedl hat die Mehrzahl der österreichischen Journalisten diesen fundamentalen Wandel der Funktionen von Kommunikation bis heute nicht verstanden. Typisch dafür etwa der einfältige Kommentar von Eva Roßmann in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 5. Juni 1992 mit dem Titel "Ein Werbegoldstück namens Klestil".

(21)      TRICONSULT: Grundlagenstudie "Amtsverständnis und Kandidatenbewertung" (1992)

(22)      Klestils damals als "Tabubruch" empfundenen Äußerungen zum Thema Neutralität und Staatsvertrag sind mittlerweile allgemein akzeptiert. So wird etwa der mögliche Beitritt Österreichs zur NATO heute bereits vom außenpolitischen Sprecher der SPÖ zur Diskussion gestellt.

(23)     So etwa Hans Rauscher im Kurier vom 8. Jänner 1992.

(24)      Die dafür erforderliche laufende Analyse der Struktur von Kandidatenpräferenzen ist eine wesentliche strategische Funktion der Wahlforschung.

(25)      Salzburger Nachrichten vom 7. März 1992

(26)      Walter Tancsits: Vom Underdog..., S. 7

(27)       Laut Befund einer internen Trendanalyse vom 3. April 1992 konnte Klestil seine parteiübergreifende Attraktivität laufend steigern. Im Lager der Grünen konnte er sie beispielsweise seit Jahresbeginn 1992 mehr als verdoppeln (von 11 % auf 26 %). Gleichfalls bemerkenswert war das Ansteigen von Klestils Attraktivität in der Altersgruppe bis 29 Jahre von 18 % (zu Jahresbeginn) auf 31 % (im April 1992).

(28)       Horizont vom 20. März 1992

(29)      Laut ORF-Teletest erreichten manche Klestil-Belangsendungen die Note 4,2 (bei einer Höchstbewertung von 5,0).

(30)     Bei der Auftrittsplanung waren "Gewohnheitsrechte" der Parteiorganisation zu berücksichtigen. Dies hatte zur Folge, daß Kandidaten-Auftritte nicht immer dort stattfanden, wo es aufgrund der Forschungsbefunde notwendig gewesen wäre.

(31)      Dieser Befund ergab sich aus einem Vergleich der Daten aus dem von FESSEL+GFK durchgeführten Exit-Poll mit den Ergebnissen einer Erhebung der Kandidatenpräferenzen durch TRICONSULT zwei Tage später. Entscheidend für dieses "Kippen" des Meinungsklimas war auch die für Klestil außerordentlich positive Medien-Coverage unmittelbar nach dem ersten Wahlgang, insbesondere zwei Headlines der Kronenzeitung.

(32)     FESSEL+GFK: Exit-Poll vom 27. April 1992

(33)      Insgesamt wurden bei den Instituten FESSEL+GFK und TRICONSULT über 30 Einzelstudien in Auftrag gegeben.

(34)      Dieses Monitoring wurde von einer Arbeitsgemeinschaft der Institute FESSEL+GFK und TRICONSULT durchgeführt.

(35)      Interne Trendanalysen weisen nach, daß es der Klestil-Kampagne von Anfang an gelungen ist, jene neuen Mittelschichten und Aufsteiger anzusprechen, welche als Wählergruppen für die ÖVP bereits verloren geglaubt wurden. Die innere Dynamik dieses Prozesses wurde von den Meinungsforschern der SPÖ offensichtlich unterschätzt.

(36)     In der TV-Serie "Erinnerungen" vom 22. Oktober 192 bestätigte Rudolf Streicher diesen Eindruck. Er verwies auf seinen scheinbar stabilen Vorsprung in den Meinungsumfragen, aufgrund dessen das Ergebnis des ersten Wahlgangs in keiner Weise vorhersehbar gewesen wäre. Auf mögliche Fehler in der Wahlkampfführung angesprochen meinte Streicher: "Ich habe immer von der anderen Seite (gemeint war Klestil) gehört, seine Wahlkampagne, seine Plakate wären nicht optimal. Und heute sagt man, es war ein clever geführter Wahlkampf. Wissen Sie, im Nachhinein kann man manches sagen."

(37)      Die Presse vom 16. Jänner 1993.  

 

Biographie der Autoren

 Gerhard Feltl  

Jahrgang 1947, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien, promovierte 1971 zum Dr.jur. und trat 1973 in die IBM Österreich ein. 1982 Bestellung zum Gesamtprokuristen, seit 1987 Mitglied der Geschäftsleitung. Assignments in Deutschland, Cambridge und Paris. 1989 bis 1991 Vorstandsdirektor der EXPO-Vienna AG. Nach Absage der in Wien und Budapest geplanten Weltausstellung Rückkehr in die Geschäftsleitung der IBM Österreich. Per Dezember 1991 Bestellung zum Wahlkampf-Manager von Thomas Klestil für den Bundespräsidentenwahlkampf 92. 

Lehrbeauftragter der Universität Salzburg und der Universität Wien sowie Gründungsmitglied des Vereins "Wirtschaft für Kunst – Creative Art Sponsoring". Chefredakteur der Zeitschrift ACADEMIA (1969 bis 1973), ehrenamtlicher Generalsekretär des Vereins Weltausstellung (1987 bis 1989) zur Bewerbung Österreichs um die Expo '95, Vorstandsmitglied der Österreichisch-Ungarischen Gesellschaft. 

Diverse Auszeichnungen, darunter Karl-Renner-Preis für Publizistik, Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien, Silbernes Ehrenzeichen des Landes Salzburg, Sigmund-Freud-Medaille. 

Eugen Semrau 

Jahrgang 1945, studierte Rechtswissenschaften sowie Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien und promovierte 1975 zum Dr.phil. 

1974 bis 1988 Arbeit als Universitätsassistent und Lektor am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, seit 1988 Oberrat im Planstellenbereich der Wissenschaftsministeriums. 1981 Gründung des Marktforschungsinstituts Triconsult, 1981 bis 83 Geschäftsführer des österreichischen Dokumentationszentrum für Medien- und Kommunikationsforschung (ADMAC), 1990 bis 91 Leiter der Abteilung Werbung & Promotion der EXPO-Vienna AG, anschließend Leiter der Abteilung Wahlforschung und Werbung im Wahlkampfteam von Thomas Klestil im Bundespräsidentenwahlkampf 92. 

Mitglied des Projektteams Medienforschung im Wissenschaftsministerium sowie des Fachausschusses für Kultur- und Kommunikationsforschung der österreichischen UNESCO-Kommission. Vorstandsmitglied des Friedrich-Funder-Instituts für Publizistik, Medienforschung und Journalistenausbildung.