Themen > Wahlwerbung > Redesigning Politics - Die österreichischen Parteien im Internet

Gerhard Feltl

Seitdem es demokratisch legitimiertes Werben um Wählerstimmen gibt, ist die Frage unbeantwortet, in welchem Ausmaß politische Werbung das Wahlergebnis tatsächlich beeinflussen kann. Im modernen Wahlkampfmanagement wird dies durch die Frage nach dem Reaktions-

vermögen der Parteien auf die Herausforderungen der  Infociety  und der Nutzung der neuen technischen Möglichkeiten  zur Revitalisierung der Politik ergänzt. 

Die österreichischen Parteien im Internet.

Die österreichischen Parteien, allen voran die ÖVP, begannen vor etwa zwei Jahren, sich im Internet zu präsentieren und Websites zu kreieren. Einfache Pressetexte, Parteiinformationen, Rückmeldungen der User oder online abgehaltene Pressekonferenzen dominieren die Sites. Dieses relativ schlichte Informationsangebot soll der Öffentlichkeit vor allem Aufgeschlossenheit gegenüber den neuen Medien demonstrieren. Eine wahlstrategische intelligente und kontinuierliche Nutzung der neuen Medien, mit der die herkömmlichen journalistischen Meinungsfilter  wirkungsvoll überwunden werden, findet derzeit nicht statt. Die diskursive, wechselseitige politische Meinungsbildung zwischen Politikern und ihren Wählern gehört daher hierzulande zu den künftigen User-Anfoderungen an den Internet-Auftritt von politischen Parteien. Die Zuwachsraten der Internet-Nutzer versprechen diesbezüglich auch für Österreich interessante Perspektiven. 

Die politischen Zukunftspotentiale eines Internet-Auftrittes.

Das Internet bietet enormes Potential für eine mittelfristig zwar nur ergänzende, in weiterer Folge wahrscheinlich aber sogar dominante Form der Kommunikation zwischen den Parteien und ihren Wählern. Ist das Internet doch die erste Medienkonfiguration, die den schnellen und gezielten Kontakt mit den gewünschten Ansprechpartnern erlaubt. Einer seiner wesentlichsten Vorteile ist dabei diese Kommunikation zwischen Bürgern und Bürokratie in einem "Transmedium", das ohne den bereits zitierten Meinungsfilter der konventionellen Massenmedien auskommt. Das Informationsangebot wird direkt und unverändert an die interessierte Zielgruppe transportiert. Umgekehrt kann der Rezipient unmittelbar mit dem Informationsanbieter  in Kontakt treten und diesem seine "Meinung" oder Informations-interessen mitteilen. Dies kann konzeptionell einen revolutionären Schritt von der eindimensionalen, auf Darstellungsoptimierung gerichteten  Öffentlichkeitsarbeit hin zu einer  interaktiven, dialoghaften Öffentlichkeitsarbeit bedeuten, die Ausdruck eines kommunikativen und offenen Politikverständnisses ist. Voraussetzung für den erfolgreichen Internet-Auftritt ist freilich die Beachtung der spezifischen Bedingungen dieses neuen Mediums. Die angebotenen Informationen müssen so attraktiv sein, daß die User zum regelmäßigen Besuch der Website animiert werden. Der Internet-User muß aktiv am politischen Meinungsbildungsprozeß teilhaben können. Ein bloß wahltaktischer Umgang  der Parteien mit den neuen Technologien würde sich jedoch rasch rächen, da die Internet-Nutzer mehrheitlich zum aktiven und kritischen Wählersegment zählen. 

Die elektronische Demokratie.

Entgegen den Horrorvisionen diverser Traditionalisten läßt das Internet erstmals die Idee einer demokratischen Gesellschaft vorstellbar werden, die den Bürgern die umfassende und direkte politische Mitsprache ermöglicht. Bereits im US-Wahlkampf '92 hatte Ross Perot 

Electronic Town-Halls  vorgeschlagen, in denen die Bürger elektronisch gestützte Entscheidungen treffen und solcherart unmittelbar am politischen Entscheidunggsprozeß teilnehmen sollten. Dieser Vorschlag wurde von Präsident Bill Clinton mittlerweile im Rahmen eines umfassenden "high-tech update of Athenian democracy" realisiert.  

Der österreichische Wähler hingegen zappelt noch immer  - wie der unglückliche Eynhof bei Herzmanovsky-Orlando - im Rosennetz der Öffentlich-Rechtlichen und im konventionellen Informationsangebot der Parteiapparate, aber er surft nicht im politischen Cyberspace.  

Die österreichischen Parteien im Internet. 

Die ÖVP (www.oevp.or.at/oevp/) offeriert Informationen zum Aufbau der Website, aktuelle Meldungen, präsentiert die Bundespartei als die Landesorganisationen und erläutert die Position zu verschiedenen Themen. Der Surfer kann in der Bibliothek schmökern, sich ins Gästebuch eintragen oder die Homepage, ausgehend von einer umfangreichen Linksammlung, als Sprungbrett ins Internet benutzen. Einen besonderen Themenschwerpunkt bildet die "Zukunft Europas". Einige Teilorganisationen wie der ÖAAB (www.oeaab-wien.or.at/oeaab-wien/) und der niederösterreichische Wirtschaftsbund (www.wbnoe.or.at/) haben eigene vielbeachtete Webauftritte. 

Die SPÖ (www.spoe.at/) nennt ihre Homepage "Headroom" und bietet ein magazinartig gestaltetes Interface mit News. Die Website dient als Ausgangspunkt zu weiteren Informationen und bietet Links zu Teilorganisationen und zu den Geschäftsstellen in den Bundesländern. Das Archiv bietet Informationen zum Download an. Europa-Informationen, Bestellmöglichkeiten, ein Veranstaltungskalender und ein Gästebuch runden das Angebot ab. Die Suchfunktion bietet komplexe Abfrage-Möglichkeiten.  

Auch die FPÖ (www.fpoe.or.at/) bietet umfangreiche Informationen zum Thema Europa. Die einzelnen Bereiche - wie Büro Haider, Parlamentsklub, Bündnisbüro, Kommunikationsbüro, Freiheitliche Akademie oder Initiative Freiheitliche Frauen -  sind jeweils in unterschiedlichem Design gestaltet. Mit einem RealAudio Player kann der User parlamentarische Sitzungen live mitverfolgen.  

Die Grünen (www.t0.or.at/gruene/) bieten einen Mix aus Hot-News,  Grün-Themen, dem Europa-Forum, einem Who-is-Who-Verzeichnis, den Tagesmeldungen, Pro & Contra, Online Magazinen und Informationen über Parlamentarische Initiativen. Das Chat-Forum und ein Energiespiel zum Download lockern die Website auf. 

Das Liberale Forum (www.lif.or.at) offeriert - soe wie die anderen Parteien - eine Mixtur aus Selbstdarstellung, aktuellen Meldungen und Themen, Links und Europainformationen. Zusätzlich wird die Geschichte der Partei dargestellt. Ein Index ermöglicht die alphabetische Suche nach Themenbereichen.   

10/97 - Dr.Gerhard Feltl ist Geschäftsführer des Kommunikationskonzerns IWG sowie Lehrbeauftragter am Institut für Kommunikationswissenschaften der Universität Salzburg.